Fotos: Axel Öland, Verena Maas, WOGENO München eG

WOGENO München eG

Überschüsse für das Gemeinwohl – der Danklsalon

Peter Schmidt, Vorstandsmitglied der WOGENO eG, ist stolz: „Vor zehn Jahren wurde hier im Innenstadtrandgebiet ein halber Straßenzug mit 134 Altbauwohnungen von einer Versicherung en bloc als sogenannter „Danklblock“ verkauft. Wir konnten eines der zehn Häuser im Rahmen eines genossenschaftlichen Käufer-Konsortiums erwerben und somit alle vor der Privatisierung in Eigentumswohnungen retten.“ Zusätzlich zu den Wohnungen gibt es hier auch kleine Gewerbeeinheiten im Erdgeschoss. In einer ist der Danklsalon seit Mitte 2016 eröffnet und wird als Gemeinschaftsraum von der WOGENO kostenfrei zur Verfügung gestellt – und das nicht nur für die eigenen Genossen, sondern für die gesamte Nachbarschaft. Die Gemeinschaft ist der Genossenschaft wichtig: Die Einrichtung wurde gezahlt, man verzichtet auf Mieteinnahmen und Erträge und Personal wird abgestellt. So gelten Danklsalon und DomagkKasino, der Quartiersladen an der Fritz-Winter-Straße 3 als Vorreiter; als Immovielien für die Nachbarschaft.

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Projekt

WOGENO München mit dem Danklsalon – Eine Genossenschaft investiert in die Nachbarschaft mit Orten für Begegnung und Gemeinschaft

Gebäudetyp/Nutzflächen

Gewerbeeinheit im Erdgeschoss eines gründerzeitlichen Wohnhauses

Insgesamt hat die Genossenschaft 20 Gebäude unterschiedlichen Alters und Größe mit ca. 520 Wohneinheiten (Stand Sept. 2016). Hier finden Sie alle Häuser im Porträt.

Danklsalon: ca. 36 qm

Küche: ca. 13 qm

Gästeappartement: ca. 14 qm

Projektstatus

Ideenphase Danklsalon, etabliert für WOGENO München eG (seit 1993)

Das Besondere – Erfolgsbausteine

Die WOGENO München eG (Genossenschaft für selbstverwaltetes, soziales und ökologisches Wohnen) verzichtet jährlich auf Erträge und investiert diese in Nachbarschaftstreffpunkte und deren Organisation (Danklsalon, DomagkKasino).

Am derzeit härtesten Immobilienmarkt in Deutschland vor 23 Jahren zum Schutz vor Spekulation und gegen die Zerschlagung von Nachbarschaften gegründet, ist die WOGENO heute geschätzt, anerkannt und mit über 500 Wohnungen erfolgreich am Münchener Wohnungsmarkt positioniert.

Gute Kooperation mit der Stadtverwaltung: Veränderungen der städtischen Vergabepraxis durch erfolgreiche Konzepte der WOGENO und durch Aufbau der GIMA München eG. Die GIMA München eG (Genossenschaftliche Immobilienagentur München eG) ist ein Zusammenschluss von aktuell 23 Wohnungsunternehmen in München.

Neben dem Engagement für den sozialen Zusammenhalt und die Nachbarschaft und die günstigen Mieten ist die WOGENO im Bereich Ökologie mit Mobilitätskonzepten und alternativen Energiekonzepten besonders aufgestellt (Blockheizkraftwerk, Solarenergie, E-Car, E-Bikes und Lastenradverleih). Niedrigenergiehaus-Bauweise, Passivhaus und energetische Sanierung sind zudem Standard in der Entwicklung der Häuser.

Chronologie

Am Anfang

Vor der Gründung der WOGENO (in den Jahren 1992-1993) trafen sich „wohnungsbewegte“ Menschen in München regelmäßig, gründeten den eingetragenen Verein SOWISO. Als klar war, dass ein e.V. als Akteur auf dem Wohnungsmarkt nicht passte, fällten die 11 engagierten „Überzeugungstäter“ die Entscheidung zur eG-Gründung.

Die Genossenschaft für selbstverwaltetes ökologisches und soziales Wohnen – kurz WOGENO – nach Schweizer Vorbild war geboren. Das Ziel war und ist eine konkrete solidarische Alternative zu sozialer Vereinzelung zu bieten, zu der Macht großer Immobilienkonzerne, zu überhöhten Mieten und Segregation. Dafür wird Grund und Boden der Spekulation entzogen, indem dieser und die darauf stehenden oder noch zu bauenden Gebäude in genossenschaftliches Eigentum überführt werden. 1994 erfolgte die Eintragung ins Genossenschaftsregister.

Nach 2 Jahren des Wirkens gab es bereits 150 Mitglieder, aber noch kein Gebäude. Die ersten beiden Häuser waren 1995 die Altbauten in der Agnesstraße und in der Metzstraße, die der Genossenschaft zum Kauf angeboten wurden.

Aufbau

Nach und nach konnten zahlreiche Objekte aus Reprivatisierungsbeständen der Stadt München erworben werden (wenn die Mieter mit dem Genossenschaftsmodell einverstanden waren), wovon manche kernsaniert wurden. Von Anfang an wurde zudem auf Neubau gesetzt und das auch am Stadtrand, um ein breites Angebot aufzubauen.

Verstetigung

Gründung der GIMA München eG (Genossenschaftliche Immobilienagentur) in 2006, um Bestandsgebäude, die zum Verkauf stehen, in Genossenschaften zu überführen und Grundstücke zu erwerben.

Auslagerung der Hausverwaltung und Bewirtschaftung an die Tochterfirma Cohaus München GmbH im Jahr 2010. Auch die Bestände anderer Genossenschaften werden hierüber betreut.

In 2016 ist ein Stand von 20 Bestandsobjekten erreicht. Davon sind 4 Neubauten. Insgesamt gibt es ca. 520 Wohnungen (von 26 bis 160 qm Größe), 3 Gaststätten, einige Gewerbeeinheiten und Gemeinschaftsräume in jedem Projekt. Von diesen sind inzwischen zwei als Nachbarschaftsläden für das Quartier geöffnet und es sollen mehr werden. Inzwischen ist die Zahl der Genossen auf über 4.000 gewachsen.

Auf lange Sicht

Neue Objekte und Grundstücke werden entwickelt, bis 2020 wird man vielleicht auf 800 Wohnungen im Besitz der WOGENO kommen. Denn der Zugang zu Grundstücken und Bestandsgebäuden ist jedoch – trotz guter Kooperation mit der Stadt München – aufgrund des hochpreisigen Wohnungsmarktes immer noch eingeschränkt. Von den ca. 4.000 Genossen warten über ein Drittel noch auf eine Wohnung.

Eine neue Idee von Vorstand Peter Schmidt ist zudem die Gründung einer Energiegenossenschaft.

Finanzierung

Die WOGENO hat eine Eigenkapitalbasis von 40 Prozent. Es gibt wohnungsbezogene Pflichtanteile und ggf. zusätzliche wohnungsbezogene Anteile. Die Pflichtanteile variieren ja nach Förderstatus der Wohnung sowie Einkommen der Bewohner und können zwischen 150 bis 600 Euro pro Quadratmeter liegen.

Durch die derzeit niedrigen Bankenzinsen gibt es mittlerweile ein großes Interesse von Anlegern an der WOGENO (Dividende ca. 3 Prozent). Gäbe es also Häuser oder Grundstücke auf dem Münchener Wohnungsmarkt, könnte man diese im „Vorbeigehen kaufen“ so Peter Schmidt, Geschäftsführer der WOGENO, im Interview. Dies gelang Ende August 2016 mit der Speyerer Straße 19 in Schwabing.

Die Pflichtanteile aller Mitglieder und die wohnungsbezogenen Pflichtanteile bilden den Grundstock für neue Projekte. Für Bewohner interessant ist auch das Ansparmodell: durch höhere Pflichtanteile während der Berufstätigkeit. Dadurch wird die Miete in der Rentenphase geringer und – je nach angesparter Höhe der Anteile – sogar eine kleine Zusatzrente fällig.

Bei den ersten drei Objekten, die die WOGENO – damals noch mit wenig Eigenkapital – erworben hat, war es sehr hilfreich, dass die Stadt München hier Erbbaurechte vergeben hat und somit für den Boden kein Kaufpreis fällig wurde. In der Anfangsphase waren daher Bürgschaftsdarlehen mit der GLS Bank ein Finanzierungsbaustein.

Den über 4.000 Genossen gehört inzwischen ein geschätztes Immobilienvermögen von 100 Millionen Euro (SZ vom 09.08.16, S. 3).

Zur Finanzierung der offenen Quartiersläden verzichtet die Genossenschaft jährlich auf Mieteinnahmen. Sie hat zudem die Ausstattung der Läden finanziert und eine Mitarbeiterin mit der Organisation der Vernetzung und Aktivitäten ins Quartier beauftragt. Bisher gibt es den Danklsalon und das DomagkKasino als  Quartiersläden, also Immovielien für die Nachbarschaft.

Die Nutzungsentgelte sind deutlich unter dem Münchener Mietspiegel. Ziel ist es, dauerhaft 10 bis 15 Prozent unter diesem zu bleiben, auch im frei finanzierten Neubau. Durch die unterschiedlichen Fördermodelle der einzelnen Häuser ist hier nur der „Äpfel mit Birnen“ Vergleich möglich: Es gibt geförderte und frei finanzierte Wohnungen im Neubau, aber auch gebundene im Altbau (im Rahmen einer besonderen Reprivatisierungsregel). Die Spanne liegt zwischen 5,80 Euro (sog. „Sozialwohnungen“) über 9,30 Euro (sog. „München-Modell Neubau“) bis zu ca. 12 Euro (frei finanzierter Neubau).

Nicht nur die Mieten sind günstig bei der WOGENO. Durch die Selbstverwaltung, Eigenleistungen an Haus und Garten, Sharing von Werkzeugen und Fahrzeugen und gegenseitiger Hilfe werden auch die monatlichen privaten Ausgaben klein gehalten.

Organisationsform

Die WOGENO München eG wurde im Jahr 1993 als Dachgenossenschaft für Hausprojekte konzipiert. Die ersten 100 Mitglieder waren Solidargenossen ohne Wohnwunsch. Aufgrund der engen Münchener Wohnungsmarktlage steigt die Zahl der Mitglieder mit Wohnwunsch seit Jahren rasant, das Angebot an Wohnungen reicht nicht aus. Die Satzung und Beitrittsformulare finden sich hier.

Gründung der Tochtergesellschaft Cohaus München GmbH im Jahr 2000. Die Cohaus verwaltet die Wohnungen und Gewerbeeinheiten der WOGENO und weiterer Genossenschaften. Zudem betreibt sie Blockheizkraftwerke zur Energieversorgung in einigen Häusern der WOGENO.

Selbstorganisation bei der Bewirtschaftung/Instandhaltung (Hausmeister, Gartenpflege, kleinere Renovierungen): Hausgemeinschaften können wählen, wie sie sich einbringen, d.h. „zahlen“ oder „selber machen“.

Zusätzlich wurde in 2006 die GIMA (Genossenschaftliche Immobilienagentur) von den Aktiven der WOGENO mit inzwischen 22 Partnern aus anderen Genossenschaften gegründet. Sie ist Ansprechpartnerin für verkaufswillige Eigentümer von Immobilien oder Grundstücken und bei erkennbaren Verkaufsabsichten der Stadt München. Als Zusammenschluss können auch bei größeren Transaktionen und Konzeptausschreibungen Gebote abgegeben werden. Die GIMA ist ein wichtiger Partner und Berater der Stadt München, wenn es um Vergabeverfahren von Grundstücken geht.

Kommunikation

Kommunikation findet auf vielen Ebenen statt, weil Beteiligung, basisdemokratische Mitbestimmung und Wissenstransfer großgeschrieben werden: Es gibt die vorgeschriebenen Genossenschaftsgremien und zusätzlich Haussprechergremien sowie ein jährliches Netzwerktreffen der WOGENO Häuser zum internen Austausch. Im Netzwerktreffen entstehen Diskussionspapiere für z. B. Vorstand, Aufsichtsrat oder Mitgliederversammlung. Ebenfalls jährlich wird ein Klausurwochenende mit Vorstand, Aufsichtsrat und Haussprechern zum Austausch und zur Diskussion von Perspektiven durchgeführt. Ziel ist es, die Haussprecher zu stärken, denn die Professionalisierung ist für „Laien“ immer schwieriger nachzuvollziehen. Daher werden Sondertermine im Vorfeld von Mitgliederversammlungen angeboten, um z. B. Bilanzen zu erläutern. Zudem bietet der Vorstand der WOGENO Seminare zu Finanzierung und anderen Themen 1 Mal jährlich für interessierte Mitglieder.

Die Haussprecher sind auch in dem Gremium, das über die Vergabe von freien Wohnungen entscheidet, vertreten. So soll gewährleistet sein, dass die neuen Nachbarn in das Haus passen.

Die einzelnen Haustreffen finden in selbst gewähltem Rhythmus statt, 1xjährlich wird der WOGENO Vorstand zur Hausverwaltungssitzung eingeladen.

Allgemeine Informationsmedien sind: Internet, Intranet, gedruckter Rundbrief (2 Mal jährlich), Newsletter als E-Mail zu aktuellen Themen oder freien Wohnungen.

Teamentwicklung

Die kleine Genossenschaft hat sich von 11 Personen bei Gründung und anfangs nur 3 Objekten im „Learning by Doing“ zu einem Unternehmen entwickelt. Die Gremien – siehe Kommunikation – haben darauf geachtet, den Gründergeist in Beschlüssen zu verankern. Hierzu zählen:

  • Richtlinien zur Vergabe von Wohnungen und Vergabeausschuss
  • Eckpunkte für Mitbestimmung und Selbstverwaltung
  • Leitlinien zur Preisgestaltung

In den Teams und Gremien ist derzeit ein Generationenwechsel spürbar, der sicherlich neue Ideen bringt.

Immobilien/Planen/Bauen

Die Pflichtanteile der über 4.000 Mitglieder (Stand September 2016) bilden den Grundstock für den Bau weiterer Projekte. Für Neubauten kommen in der Regel nur städtische Grundstücke infrage, die mit entsprechenden Bindungen für mittlere und niedrige Einkommen zu günstigen Konditionen vergeben werden. Die Umwandlung von Bestandshäusern in die Genossenschaft WOGENO ist – in Kooperation mit den Hausbewohnern und der Stadt – inzwischen bei neun Häusern gelungen.

Niedrigenergiebauweise, Passivhaus und energetische Sanierung finden sowohl im Neubau als auch in der Sanierung Anwendung. Die Hausgemeinschaften kontrollieren ihren jeweiligen Energieverbrauch selber (Hilfe durch Verwaltung). In einigen Häusern gibt es Blockheizkraftwerke.

Nachbarschaft und Stadtteil

Vernetzung ins Quartier und Synergieeffekte mit benachbarten Einrichtungen sind von Anfang an im Focus der WOGENO. In unterschiedlichen Projekten werden besondere Schwerpunkte der Wohnraumversorgung und des nachbarschaftlichen Miteinanders gesetzt. Dazu gehört die Kooperation mit der Waldorfschule bei einer Neubauentwicklung, aber auch Wohngemeinschaften für Jugendliche oder Sehbehinderte. Ein Neubauprojekt entstand gemeinsam mit dem Waldorfschulverein, ein anderes mit einer Obdachloseninitiative. Kranken- und Altenpflege wie im sog. Bielefelder Modell und ein Nachbarschaftszentrum sind in einem anderen Projekt gemeinsam mit der städtischen Wohnungsgesellschaft entstanden.

Dabei ist sich die WOGENO der Grenzen der Leistungsfähigkeit für die Nachbarschaft bewusst. Daher gilt: hilfebedürftige Personengruppen sollten nicht mehr als 8 bis 10 Prozent eines Projektes ausmachen.

Die Überalterung der Gesellschaft wird in den Neubauwohnungen durch barrierefreie Grundrisse und Wohnungszuschnitte berücksichtigt, auch im Altbau denken die Hausgemeinschaften über Anpassungen nach.

Grundsätzlich gibt es in jedem Hausprojekt Gemeinschaftsräume für die Bewohnerschaft, je nach Hausgemeinschaft mehr oder weniger offen für die Nachbarschaft. Als offene Quartiersläden sind der Danklsalon und das Domagk-Kasino konzipiert, die auch aus der Nachbarschaft unkompliziert genutzt werden können. Als Vernetzerin ins Quartier und Organisatorin der Läden ist Johanna Schäfer, Mitarbeiterin der Cohaus GmbH, in Stabsfunktion eingesetzt worden. Weitere Quartiersläden sollen folgen.

Auch in Sachen Mobilität wird auf gemeinschaftliche Nutzung und Quartiersbezug geachtet. Eine Kooperation mit Stattauto München, E-Bike Stationen zum Verleih und gute Fahrradabstellanlagen sind hier Standard.

Wen oder welche Unterstützung brauchen wir noch?

Um mehr bauen zu können (über ein Drittel der Mitglieder wartet noch auf eine Wohnung), muss der Zugriff auf bezahlbare Grundstücke gewährleistet sein.

Stolpersteine

In den ersten Jahren von der Idee bis zur Gründung der Genossenschaft und zum Erwerb der ersten beiden Objekte vergingen 2 Jahre. Anfangs wurde die WOGENO weder von der Stadtverwaltung noch von anderen Wohnungsgenossenschaften ernst genommen.

Es gibt fast keine bezahlbaren Immobilien mehr auf dem Münchener Wohnungsmarkt.

Sonstiges

Ein anderes Bodenrecht, das Abgaben auf Gewinne mit Grund und Boden vorsieht und somit Spekulationen nicht mehr attraktiv macht, ist wünschenswert, um den Wohnungsmarkt in München und in anderen „Schwarmstädten“ wieder für alle Einkommensgruppen zugänglich zu machen.

Links:

Homepage WOGENO München eG

Film der Montag Stiftung Urbane Räume über WOGENO München

Quartiersladen Danklsalon

Quartiersladen Domagkpark

Kriterien Wohnungsvergabe und Richtlinien Selbstorganisation