Eine Immobilie für das Gemeinwesen
Immobilien erwirtschaften finanzielle und ideelle Renditen für die Nachbarschaft. Das ist die Kernidee des Programms Initialkapital der Montag Stiftung Urbane Räume, die zum ersten Mal in der Krefelder Südweststadt realisiert wird: Die Stiftungsgruppe Montag hat von der Stadt Krefeld eine alte Samtweberei im Erbbaurecht erworben, die sie so um- und ausbaut, dass sie ein mehrfach wertvoller Teil der Stadtteilentwicklung wird. Und sie investiert parallel in den Aufbau nachhaltiger Strukturen für das Gemeinwesen.
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Die Samtweberei befindet sich unweit von Bahnhof und Einkaufsviertel im Südwesten der Innenstadt Krefelds. Dieses Viertel ist bunt und hat nicht bei allen Krefeldern einen guten Ruf. Viele aber lieben es für seine Internationalität und die schönen Plätze, für die günstigen Wohnungen und die Nähe zur Fachhochschule.
Seit 2014 gibt es in diesem Viertel eine neue Mitspielerin: die Urbane Nachbarschaft Samtweberei gGmbH. Sie wurde von der Carl Richard Montag Förderstiftung im engen Dialog mit der Stadt Krefeld gegründet, um die Alte Samtweberei als Wohn- und Bürostandort denkmalgerecht zu entwickeln. Mit den Überschüssen aus der Vermietung werden Mittel erwirtschaftet, um zum Beispiel das interkulturelle Zusammenleben zu stärken, Angebote für die Jugendlichen im Viertel zu entwickeln oder die kulturellen und künstlerischen Potenziale der Nachbarschaft zu heben.
Bevor es losging, hatte die Stadt Krefeld erkannt, dass sie ein Problem mit dieser Immobilie hat. Sie stand seit sieben Jahren leer, kein Investor tauchte auf, der sich für das Objekt interessierte. Darum hat die Stadt erst einmal eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, in der beschrieben wurde, welche immobilienwirtschaftlichen und baukulturellen Potenziale in dem Gebäudekomplex stecken. Nun wurde jemand gesucht, der dieses Programm umsetzen konnte und die Stiftung kam mit ihrer Initialkapital-Idee dazu. Dann begannen die Verhandlungen: Was will die Stiftung machen, was möchte die Stadt von diesem Standort? Die Partner konnten sich relativ schnell auf ein gemeinsames Handlungsprogramm als Grundlage einigen. Die wichtigsten Ziele: Ein sozial, kulturell und ökonomisch durchmischtes Viertel entsteht; die vorhandenen Selbstorganisationskräfte werden gestärkt und bekommen eine größere Basis; das Miteinander der Kulturen und Lebensstile ist friedlich und produktiv; die Mieten bleiben differenziert; es gibt Wohngelegenheiten für unterschiedliche Haushaltsgrößen, Geldbeutel und Lebenslagen; der städtebauliche und architektonische Wert der Südweststadt wird wieder erkennbar.
Auf dieser Basis hat die Stiftung eine Absichtserklärung formuliert, in der sie zugesagt hat, dass sie in die Alte Samtweberei investieren wird, wenn die Bewohnerinnen und Bewohner des Viertels das Projekt willkommen heißen und die Stadt Krefeld der Stiftung die Immobilie im Erbbaurecht überlässt. Daher hat die Stiftung öffentlich und breit zu einer Bürgerinformation eingeladen, in der sie sich als neuer Player vorgestellt und die Frage formuliert hat, ob sie willkommen ist – ein bisschen wie ein Vorstellungsgespräch unter umgekehrten Bedingungen. Die Rückmeldungen waren durchweg positiv. Eine gute Grundlage dafür, dass zwei Monate später – im Februar 2014 – der Rat der Stadt Krefeld einstimmig die Verwaltung damit beauftragt hat, mit einer von der Stiftung zu gründenden Gesellschaft einen Erbbaurechtsvertrag zu schließen. In diesem Erbbaurechtsvertrag wurde festgelegt, dass die Überlassung der Alten Samtweberei solange frei von Erbbauzins ist, wie die Erbbaurechtsnehmerin – die spätere Urbane Nachbarschaft Samtweberei gGmbH – gemeinnützig und im Sinne des Handlungsprogramms tätig ist.
Im April 2014 wurde dann die Gesellschaft gegründet und konnte ihre Geschäfte aufnehmen: zum einen die Immobilie zum Wohle der Nachbarschaft zu entwickeln und zum anderen die Grundlagen für eine nachhaltige Gemeinwesenarbeit im Viertel zu legen.
Die Entwicklung der Alten Samtweberei mit ihren 6.700 Quadratmetern Fläche und vier Gebäudeteilen in zum Teil denkmalgeschützten Gebäuden startete mit der Wiederinbetriebnahme des jüngsten Gebäudes, dem „Pionierhaus“, einem Verwaltungsbau aus den 1960er Jahren. Glücklicherweise konnten die ca. 1.000 Quadratmeter Nutzfläche – weil der Bau nur sieben Jahre lang unbenutzt war – „einfach“ wieder in Betrieb genommen werden. Das hieß, die Heizung wurde wieder angeworfen, die Fenster repariert, neue Kabel verlegt und Sanitäranlagen eingebaut. Den Rest sollten die neuen Mieter – die sogenannten Pioniere – machen und ihre Räume selbst ausbauen. Im September 2014 zogen fünf Monate nach Gründung der UNS gGmbH die ersten Pioniere ein: Grafiker, Übersetzer, Bastler, Künstler, Coaches: die geringe Miete und die kleinen Räume haben viele Startups und Freiberufler angezogen. Mittlerweile ist das Haus komplett vermietet und es entstehen erste Kooperationen der Unternehmungen untereinander. Alle Mieter haben mit ihrem Mietvertrag zugesagt, teil der sogenannten „Viertelstunden“ zu werden: pro gemieteten Quadratmeter wird eine Stunde Kompetenz pro Jahr in das Gemeinwesen investiert (30 qm = 30 Std.). Das können Flyer für eine Nachbarschaftsinitiative, Unterstützung bei der Baumscheibengestaltung oder Aufbauhilfe beim Straßenfest und vieles mehr sein.
Danach wurde direkt der nächste Bauabschnitt – das Torhaus aus den 1950er Jahren – in Angriff genommen und im Herbst 2015 fertig gestellt. Es wurde etwas hochwertiger ausgebaut für Büros, die sich das leisten können und die zusammenhängende und größere Flächen benötigen. Auch hier sind die Viertelstunden Teil des Mietvertrages – aufgrund der höheren Mieten allerdings nur eine halbe Stunde pro Quadratmeter. So stehen weitere 300 Stunden für das Gemeinwesen zur Verfügung.
Beide Objekte konnten mit dem Eigenkapital der Stiftung realisiert werden, was wichtig war, damit sofort mit den Arbeiten begonnen wurde und den Stadtteil das Signal erreichte, dass „die was machen und schnell sind“.
Im Frühjahr 2017 konnte der Umbau des größten und denkmalgeschützten Teils zum gemeinschaftlichen Wohnen abgeschlossen werden. Insgesamt 37 Wohnungen (und eine Gewerbeeinheit) sind sind entstanden, wovon ein Drittel Menschen mit Wohnberechtigungsschein zur Verfügung stehen. Die Wohnungen wurden im Dialog mit den zukünftigen Nutzern entwickelt, soweit sie schon da waren. Auch hier wird die Verbindung ins Viertel gelegt – allerdings als Selbstverpflichtung, da es nicht möglich ist, in Wohnungsmietverträgen eine Gegenleistung fest zu schreiben. Für die Gruppenbildung wurde eine externe Moderation engagiert und das planende Architekturbüro hat immer wieder flexibel auf die besonderen Wünsche der Gruppe und der einzelnen Mieter reagiert.
Besonders ist auch die über 3.000 Quadratmeter große Shedhalle im Innenhof des Geländes: Sie wird zum öffentlichen Platz mit Dach nach den Vorstellungen des Quartiers ausgebaut und ausgestattet. Beide Objekte profitieren von öffentlicher Förderung. Die Shedhalle von der Städtebau- und das Denkmal von der Wohnraumförderung. Diese Mittel sind unerlässlich, um am Ende das Versprechen zu halten, ca. 60.000 Euro pro Jahr für das Gemeinwesen zu erwirtschaften.
Neben der Shedhalle gibt es einen weiteren öffentlich nutzbaren Raum in der Samtweberei: das neu eröffnete, gemeinnützige Nachbarschafts- und Kulturcafé Lentz.
Parallel zur baulichen Entwicklung wurde das Viertel selbst in den Blick genommen. Denn am Ende sollen die Alte Samtweberei und die sie umgebende Nachbarschaft gemeinsam Teil des Samtweberviertels sein.
Nach den ersten Informationen über die Stiftung, das Projekt und seine Ziele wurden Workshops durchgeführt, in denen die Experten des Viertels – die Bewohnerinnen und Bewohner – Einblicke in die Möglichkeiten und Probleme ihrer Nachbarschaft gegeben haben. Außerdem wurde eine breit angelegte Bewohnerbefragung durchgeführt, um auch jene zu erreichen, die von selber nicht auf die Einladung reagieren. Am Wichtigsten aber war der Aufruf, Projektideen für das Viertel einzureichen. Für deren Realisierung stehen jährlich 5.000 Euro zur Verfügung. Mittlerweile sind mehr als 30 dieser Projekte realisiert – Baumscheiben werden gepflegt, Kinderworkshops angeboten, Begegnungstreffs organisiert. Diese Projekte sind wichtig, damit die Menschen sich untereinander kennenlernen und gemeinsame Sache machen. Drum herum wurden und werden Schritt für Schritt Strukturen aufgebaut, die in Zukunft mehr Verantwortung für die sogenannten Gemeinwesenmittel – die 60.000 Euro pro Jahr – übernehmen können. Monatlich tagt der Viertelsrat, in dem 10 bis 15 Personen regelmäßig über die Spielregeln und die Mittel beraten, die die Projekte und das Viertel brauchen, damit das Zusammenleben gut läuft und die gesetzten Ziel erreicht werden können.
Aber auch und vor allem, um den Kollegen der UNS, die für das Gemeinwesen zuständig sind zu zeigen, wohin die Reise hingehen sollte, welche Probleme als nächste adressiert, welche Potenziale gehoben werden sollten. Einmal im Jahr tagt der Große Viertelsratschlag, der allen Beteiligten Themen und Fragestellungen mit auf den Weg gibt, die in Zukunft zu lösen sein werden. Der Viertelsrat ist der wichtigste Ratgeber der UNS, der große Viertelsratschlag Ideengeber und Korrektiv von Viertelsrat und UNS. Und damit das Projekt nicht in Arbeitsgruppen versinkt, wird zwei Mal im Jahr gemeinsam gefeiert: Auf dem Kirschblütenfest, das der Bürgerverein Bahnbezirk ausrichtet, und auf dem Nachbarschaftsfest, das die UNS gGmbH zusammen mit vielen Helfern aus der Samtweberei und dem Samtweberviertel organisiert.
Um der Nachbarschaft und den vielen Projekten einen konkreten Ort zu geben, konnte Mitte 2015 – anfangs unterstützt durch Mittel des Landes NRW – ein Ladenlokal eingerichtet und mit einer engagierten Bewohnerin des Viertels als Koordinatorin besetzt werden: Die ECKE. In Kooperation der Bürgerinitiative Rund um St. Josef und der UNS finden hier viele Beratungen, Kurse Projekte und offene Türen statt, die vorher noch keinen Ort hatten. Die ECKE hat sich mittlerweile als zentraler und niederschwelliger Anlaufpunkt im Viertel etabliert.
2017 ist die Alte Samtweberei baulich fertig gestellt. Die Stiftung wird sich bis Ende 2018 langsam zurückziehen. Die UNS gGmbH wird aber auch in Zukunft mit einem kleinen Team vor Ort sein, um die Ressourcen für das Gemeinwesen gut zu verwalten und sinnvoll zu verwenden. Dabei wird sie weiterhin auf die engagierten Menschen und Gremien im Viertel setzen und eng mit den sozialen, kulturellen und Bildungsträgern zusammenarbeiten.
Text: Henry Beierlorzer, Frauke Burgdorff
Projekt
Die Alte Samtweberei erzeugt sozialen und finanziellen Nutzen für die sie umgebende, bunte Nachbarschaft in der Krefelder Südweststadt, in der ca. 6.800 Menschen leben: dem Samtweberviertel. Sie erwirtschaftet Mittel für die Gemeinwesenarbeit, ihre Mieterinnen und Mieter bringen sich in Stadtteilprojekte ein. Das Samtweberviertel soll ein bunter, demokratischer und offener Ort des Ankommens und des friedlichen Miteinanders bleiben und werden.
Grafik: Utku/Haas und Mevißen/Jagla
Gebäudetyp/Nutzflächen
- Ursprünglich Gewerbebauten einer Samtweberei aus den 1880er Jahren
- Erweiterungs- und Ergänzungsbauten aus den 1950er und 60er Jahren
- überdachte Shedhalle im Hof
Grafik: Utku/Haas und Mevißen/Jagler
SHEDHALLE: Freiraum für die Gemeinschaft
- Ehemalige Fabrikhallen im Blockinneren
- Nutzfläche: ca. 3.500 qm
- Neue Nutzungen: Gemeinschaftlicher Freiraum für die Samtweberei und das Viertel; Stellplätze und Nebenanlagen für Anlieger der Samtweberei
- Fertigstellung: 2017
DENKMAL: Gemeinschaftliches Wohnen
- Historischer Kern des Ensembles (Ende des 19. Jahrhunderts), denkmalgeschützt
- Nutzfläche: ca. 2.900 qm
- Neue Nutzungen: 37 Mietwohnungen (tlw. öffentlich gefördert), im Erdgeschoss teilweise Gewerbe
- Fertigstellung: 2017
TORHAUS: Begegnen und Arbeiten
- Ehemaliger Gewerbebau mit Zugang zum Innenhof (1950er Jahre)
- Nutzfläche: ca. 750 qm
- Neue Nutzungen: Nachbarschafts- und Kulturcafé (ca. 130 qm + ca. 50 qm Nebenräume im Denkmal); Büros (ca. 620 qm).
- Fertigstellung: 2015 (Büros) bzw. 2017 (Café)
PIONIERHAUS: Neues Arbeiten
- Ehemaliges Verwaltungsgebäude (1960er Jahre)
- Nutzfläche: ca. 1.000 qm
- Neue Nutzungen: Büros, Ateliers und Werkstätten
- Inbetriebnahme: 2014 (Auftakt des Gesamtvorhabens)
DIE ECKE: Begegnung
- Leerstehendes Ladenlokal, das als Stadtteiltreffpunkt genutzt wird
- Kooperationsprojekt mit der Bürgerinitiative Rund um St. Josef e. V.
- Nutzfläche ca. 80 qm
- Inbetriebnahme: 2015
Projektstatus
Gemeinwesen: viele Maßnahmen und Projekte realisiert, weitere im Aufbau, gleichzeitig beginnende Verstetigung
Gebäude: realisiert (2014-2017)
Das Besondere – Erfolgsbausteine
- Der Ausgangspunkt: Ein bunter Stadtteil, der Unterstützung gebrauchen kann, eine Immobilie, die entwickelt werden will und eine Stadt, die hoch motiviert bei der Sache ist.
- Das Initialkapital der Carl Richard Montag Förderstiftung, das den frühen Start und die potenzielle Rendite ermöglicht hat und die Mittel aus der Wohnraum- und Städtebauförderung, die die öffentlichen und gemeinschaftlichen Nutzungen überhaupt ermöglichen.
- Das Erbbaurecht von der Stadt Krefeld, mit dem die Rolle der Alten Samtweberei als gemeinnütziges Projekte für den Stadtteil auch langfristig gesichert werden kann. Der Erbbauzins wird erlassen, solange die Urbane Nachbarschaft Samtweberei gemeinnützig arbeitet.
- Der Viertelsfonds, der Selbstverwaltung und Selbstwirksamkeit ermöglicht.
- Die Viertelstunden – die vertragliche (Büros) oder freiwillige (Wohnen) Verpflichtung, sich als Nutzer der Samtweberei für den Stadtteil zu engagieren.
- Die Menschen im Stadtteil, die sich in Projekten, auf den Festen und in den Gremien engagieren.
- Die vorhandenen zivilgesellschaftlichen und öffentlichen sozialen Institutionen, die aktiv mitwirken.
- Eine offensive, an den Adressaten orientierte Kommunikation.
Chronologie
Am Anfang
2012: Die Montag Stiftung Urbane Räume sucht einen guten Standort für das Initialkapital
Aufbau
2013: Montag Stiftung Urbane Räume und Stadt Krefeld entwickeln ein Handlungskonzept und formulieren Absichtserklärungen, die die Ziele festlegen und die Basis für die weiteren Schritte sind.
2013: „Vorstellungsgespräch“ im Stadtteil. Die Montag Stiftung Urbane Räume fragt, ob sie willkommen ist und beginnt mit dem Stadtteil zu arbeiten.
2014 (Frühjahr): Erbbaurechtsvertrag, Gründung der Urbane Nachbarschaft Samtweberei gGmbH
2014 (Sommer): Erster Projektaufruf. 26 Projekte für das Viertel werden ausgezeichnet.
Verstetigung
2014 (Herbst): Eröffnung des „Pionierhauses“ mit einem großen Fest. Die ersten Interessenten für das „Wohnen im Denkmal“ werden eingeladen und beginnen einen Moderationsprozes
2015: Das erste Kirschblütenfest des Bürgervereins Bahnbezirk, wieder ein erfolgreicher Projektaufruf, das Torhaus wird umgebaut, der Viertelsrat gründet sich, der erste Große Viertelsratschlag findet statt. Die „Vereinbarung zur Weiterleitung von Fördermitteln“ wurde im Oktober 2015 von der Stadt Krefeld und der UNS unterzeichnet.
Auf lange Sicht
in 2017
- der Umbau ist abgeschlossen, 150 Menschen „bevölkern“ die Samtweberei als Bewohner oder Büromitarbeiter,
- die Shedhalle wird partizipativ als „Neuer Platz fürs Viertel“ entwickelt und mit Leben gefüllt,
- die Ecke ist etabliert und in der Samtweberei gibt es ein Nachbarschafts- und Kulturcafé,
- es bleibt von den Mieteinnahmen ein jährlicher Überschuss. Dieser wird für soziale und nachbarschaftliche Projekte langfristig im Quartier eingesetzt.
Finanzierung
Immobilieninvestition
- Eigenkapital der Carl Richard Montag Förderstiftung: 1 Mio. zzgl. 0,7 Mio. Euro als Nachrangdarlehen
- Städtebauförderung für den Umbau der Shedhalle: ca. 1 Mio. Euro
- Wohnraumförderung für den Umbau des Denkmals und die quartiersnahe Infrastruktur als Darlehen: 2,2 Mio. Euro
- Bankfinanzierung (GLS-Bank): 2,9 Mio. Euro
Investitionen in den Stadtteil
- Anschubfinanzierung der Stadtteil- und Gemeinwesenarbeit seitens der Montag Stiftung Urbane Räume von 2014 bis 2018: bis zu 200.000 Euro pro Jahr
- Förderprogramm „NRW hält zusammen“ (über 1,5 Jahre): 137.100 Euro inkl. Eigenanteil, gemeinsam mit Bürgerinitiative Rund um St. Josef
Grafik: Utku/Haas und Mevißen/Jagla
Organisationform
Die Urbane Nachbarschaft Samtweberei ist eine gemeinnützige Gesellschaft, deren Gesellschafter die Carl Richard Montag Förderstiftung ist.
Kommunikation
Jegliche Kommunikation in den Stadtteil hinein wird aus der Empfängerperspektive gestaltet. Was könnte die Menschen im Stadtteil interessieren? Welche Sprache ist angemessen?
Studierende der Hochschule Niederrhein haben für die Samtweberei ein eigenes Logo entwickelt, das für Identifikation wirbt.
Einladungen werden, soweit es geht, direkt ausgesprochen, Flyer dienen vor allem als Unterstützung und persönliche Handgabe.
Es wurde ein Viertelschreiber eingerichtet, der für eine kleine monatliche Aufwandsentschädigung regelmäßig von Aktivitäten im Viertel berichtet.
Das Projekt wird in allen Krefelder und in vielen bundesweiten Medien wahrgenommen. Zentrale Artikel unter www.samtweberviertel.de.
Teamentwicklung
Es gibt sechs „Teams“. Das Team der Profis (Team UNS), die die Samtweberei umbauen, betreiben und weiter entwickeln und die neuen Strukturen in der Gemeinwesenarbeit aufgebaut haben. Das Team der Nachbarn, die sich in Projekten (Gärtnern, Basteln, Treffen) oder in Gremien (Viertelsrat, großer Viertelsratschlag) engagieren. Das „Team“ der Bewohnerinnen und Bewohner des Denkmals. Und schließlich die Nutzer der Bürogebäude.
Die Teamentwicklung befindet sich in unterschiedlichen Stadien. Während das „Team UNS“ eine multidisziplinär besetzte Gruppe mit Zuständigkeiten in Immobilienentwicklung, Öffentlichkeitsarbeit, Gemeinwesenarbeit, Technische Dienste, Bauleitung, Büroorganisation etc. ist,
bildet das „Team Nachbarn“ wiederum kleine Gruppen, die sich freiwillig zusammen finden und Spaß miteinander haben. Ein erster Versuch, einige Gruppen thematisch zusammenzuführen, war nicht von Erfolg gekrönt. Jetzt gilt die Regel: Zusammenarbeit im Ehrenamt nur, wenn es auch zwischen den Menschen stimmt.
Das „Team Viertelsrat“ sind Freiwillige aus dem Stadtteil, die Lust darauf haben, den Viertelsfonds (5.000 Euro) und Schritt für Schritt auch das gesamte Budget der Gemeinwesenarbeit (60.000 Euro) mit zu gestalten. Der Viertelsrat ist der zentrale Ratgeber der UNS für alle Fragen die Gemeinwesenarbeit betreffend und soll Schritt für Schritt mehr Entscheidungskompetenz und Selbständigkeit bekommen.
Das „Team Wohnen im Denkmal“ hat sich über längere Zeit unter professioneller Moderation zusammen gefunden, hat kleine Arbeitsgruppen gebildet und hatte individuell und als Gruppe inhaltlich großen, aber im Budget klar beschränkten Einfluss auf die Gestaltung der Grundrisse. Mittlerweile finden sich die neuen Bewohnerinnen und Bewohner regelmäßig zusammen, um Formen zu entwickeln, wie das gemeinschaftliche Wohnen und die Beiträge für den Stadtteil (Viertelstunden) gestaltet werden sollen.
Das „Team Pionierhaus“ sind die Nutzerinnen und Nutzer des ersten Bauabschnittes, die auf Basis der sehr günstigen Kaltmieten verpflichtet sind, eine Stunde pro gemieteten Quadratmeter pro Jahr für stadtteilrelevante Arbeiten zu investieren (Flyer, Webseiten, Übersetzungen, Workshops, Anpacken etc.). Dies wird von einer der Nutzerinnen transparent dokumentiert. Der Viertelsrat begleitet diesen Prozess und steuert nach, falls Leistungen nicht passend sind. Die Zusammenarbeit der Nutzerinnen und Nutzer des Pionierhauses untereinander findet statt, kann/soll aber in Zukunft ggf. noch ausgebaut werden.
Und nicht zuletzt das „Team Projektsteuerung und Bau“, das vom Geschäftsführer bis zur Büroleitung über die beteiligten Architekten bis hin zum Bauleiter und den beteiligten Baufirmen sowie dem Hausmeister immer wieder vor Ort entschieden hat, was die besten, effektivsten und nachhaltigsten Lösungen für die jeweilige – und meist knifflige – Bauaufgabe ist.
Abgerundet wird das Ganze natürlich vom „Team Finanzierung“. Denn die Mittel kommen aus vielen Quellen, wollen kalkuliert, beantragt und vor allem auch abgerechnet werden.
Immobilien/Planen/Bauen
Neben den normalen, sehr kniffligen Themen des Bauens im Bestand ist hier besonders:
- Der erste Bauabschnitt (Pionierhaus) konnte nach sieben Jahren Nutzungspause wieder in Betrieb genommen werden und so für relativ wenig Geld den Nutzerinnen und Nutzern zum Selbstausbau zur Verfügung gestellt werden.
- Die Idee, die Shedhalle stehen zu lassen, war nicht von Anfang an da. Eigentlich sollte sie abgerissen werden. Bis in vielen Gesprächen die Idee aufkam, sie als „Platz mit Dach“ auszubauen. Sie wird – mit Mitteln der Städtebauförderung – so umgebaut, dass sie öffentlich nutzbar ist.
- In allen Bauprozessen spielt Beteiligung und Mitwirkung (inkl. kleiner Selbstausbauten) eine große Rolle.
Grafik: Utku/Haas und Mevißen/Jagla
Nachbarschaft und Stadtteil
Die Nachbarschaft ist besonders heterogen und hat innerhalb Krefelds bei manchen den Ruf, bunt und bei manchen den Ruf schwierig und arm zu sein. In jedem Fall ist der Stadtteil ein wichtiger Ankommensort in der Stadt Krefeld. Es gibt aktive und sehr verschiedene Bürger- und Kulturvereine. Außerdem zahlreiche lebendige Institutionen, Vereine und Weiterbildungsträger. Die Nachbarschaft Samtweberei fügt sich hier als Motor (für noch mehr Kooperation und Miteinander), als Plattform (für stadtteilbezogenes Engagement) und als Partner (insbesondere durch die Mieterinnen und Mieter) ein. (weitere Infos siehe Teamentwicklung).
Es gibt ein paar wichtige Spielregeln, die den Dialog mit dem Stadtteil begleiten
- Keine Regel aufstellen, ohne dass es einen konkreten Regelungsbedarf gibt
- So wenig wie möglich Vorgaben für die Stadtteilprojekte machen
- Nicht nur Meinungen, sondern Rat einholen
- Die Sprache der Empfänger sprechen
- Nichts machen, was andere schon anbieten
- Nicht alles können
Grafik: Mevißen/Jagla
Stolpersteine
Die öffentliche Förderung und die Finanzierung des Umbaus sind sehr komplex und hätten in dieser Form von einer unerfahrenen Initiative wahrscheinlich nicht konzipiert werden können.
Die öffentliche Förderung erwartet fertige, umsetzungsreife Konzepte. Das ist bei teilhabeorientiertem Bauen im Bestand schwer möglich. Ohne den – auch finanziellen – Rückhalt der Stiftung wären die Prozesse langsamer und weniger partizipativ verlaufen.
Der anfängliche Plan, dass die Wohngruppe das Denkmal in Selbstverwaltung übernimmt, ging so nicht auf. Begründung: „Die UNS ist doch ein guter Vermieter, warum sollen wir Zeit mit Nebenkostenabrechnungen vergeuden, wenn wir uns doch besser für den Stadtteil engagieren können“.
Ob der Stadtteil sich über seine neu gewonnene Beliebtheit auch mit ungeliebten Aufwertungsprozessen konfrontiert sehen wird, ist noch nicht abzusehen.
Sonstiges
Ohne die gute Vernetzung mit den Ideengebern für das Projekt (insbesondere „Initiative ergreifen Projekte“ und Stiftung trias) und in die Landesministerien hinein und ohne den großen Rückhalt aus der lokalen Politik und Verwaltung wäre das Vorhaben sicher noch nicht so weit und vielleicht auch gar nicht realisierbar (gewesen).
Links & Downloads
Autorin: Frauke Burgdorff – Autor Aktualisierung 2017: Robert Ambrée