Fotos: Susanne Küppers, Benjamin Grudzinski

Platzprojekt Hannover

Strenggenommen fehlt der „Immovielie“ dieser Geschichte das Entscheidende für ein offenes „Haus für viele“: die Immobilie nämlich. Den jungen Machern vom „PlatzProjekt e.V.“ in Hannover ist es dennoch mit einer coolen Idee, viel ehrenamtlicher Maloche und mithilfe des Bundes-Förderprogramms „Jugend.Stadt.Labor“ gelungen, Räume zu schaffen. Erschwinglich für alle, die Neues in Sachen Kunst, Kultur und Soziales oder auch als innovatives, gewerbliches Startup inszenieren wollen, aber nicht viel investieren können. Der Verein an der Fössestraße 103 bietet auf schmalen 6 x 2’50 Metern die allzeit transportablen Bühnen dafür.

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Projekt

PlatzProjekt e.V.; experimentelles, selbstverwaltetes Kultur – und Startup-Projekt in ausrangierten Übersee-Containern auf einer zentral gelegenen, zwischen-genutzten Brachfläche in einem Gewerbegebiet

Gebäudetyp

Keine Immobilie im klassischen Sinn, Nutzung einer Brachfläche im Gewerbegebiet, in 40 alten Übersee-Containern sind inzwischen über 20 verschiedene Projekte (zum Teil ehrenamtlich arbeitende Sozial- und Kultur-Projekte, aber auch junge Gründer) untergebracht. Teilweise sind die Container bis in die dritte Etage gestapelt. Ehemals standen Industriehallen auf dem Gelände.

Gesamtfläche oder Nutzflächen nach Nutzung

3000 Quadratmeter Grundstücksfläche der Brachfläche/ insgesamt 600 Quadratmeter Innenraum in den Modulen (40 Container, Größe 6 Meter x 2.50 Meter = 600 Quadratmeter)

Projektstatus

Bestehendes Projekt seit 2013, derzeit Verstetigung und Professionalisierung.

Das Besondere – Erfolgsbausteine

  • Prozessorientierung: Es wurden nie endgültige Ziele vorgegeben und die Laufrichtung des Projektes ändert sich ständig entsprechend den gegenwärtigen Situationen.
  • Offenheit: Das Projekt hat von Anfang an jede Menge Menschen mitgenommen, da jeder sofort Teil werden konnte, eigene Ziele einbringen konnte und Verantwortung übernehmen konnte.
  • Art der Selbstorganisation: Es werden moderne Organisationsstrukturen wie Do-ocracy und Holocracy genutzt, die sehr schnell, effizient und horizontal sind.
  • Innovativ, Sozial oder Kulturell: Das sind die Anforderungen an alle Projektanträge. Da der geförderte Raum und die Infrastruktur begrenzt sind, sind nur bestimmte Projekte zugelassen. Wirtschaftliche Interessen sind grundsätzlich kein Problem, müssen aber an Innovation und Forschung gekoppelt sein und es darf sie so noch nicht geben. Der „Platz“ möchte Platz bieten für Ideen, die sonst schwer einen Platz in der Stadt finden.
  • Ein großer Teil der Infrastruktur-Arbeiten konnte vom eigenen Bautrupp geleistet werden. Stichwort: Muskelhypothek
  • Eigentümer des Geländes stammt selbst aus der Skaterszene, hat von Anfang an große Affinität zur Nutzung des Geländes und ist damit ein großer Ermöglicher.

 

Chronologie

Am Anfang

2004: Besetzung des ersten Teils des Grundstücks durch eine Gruppe jugendlicher Skater, Bau der ersten Rampen, Gründung des „2er e.V.“ Skatervereins. Legalisierung der Aktivitäten auf dem Gelände durch Zwischen-Nutzungsvereinbarung mit dem Besitzer, der Metro-Gruppe, erste Kontakte auch zur Stadt, erste Container werden aufgestellt, umgebaut und genutzt, 2013 Prämierung der Idee für das „PlatzProjekt“ durch den Bund, Ausweitung des Projekts auf dem Platz

Aufbau

Impulsveranstaltungen, Bauparties, Kulturveranstaltungen, 2013 Gründung des Vereins PlatzProjekt e.V. Förderung durch das Bundes-Programm „Jugend.Stadt.Labor“. Das Projekt wird in den umliegenden Quartieren bekannter, viele Nachbarn schauen bei den ersten Veranstaltungen vorbei. Immer neue Projekte siedeln sich in Containern an. Viele aus der Orgagruppe des Projektes sind plötzlich Anwohner aus den nahen Quartieren und nicht mehr nur Skater. Die Gruppe entwickelt sich zu einer sehr heterogenen Gemeinschaft.

Verstetigung

Ab 2015 ist das Projekt durch Medien, Berichterstattung, Social Media und durch seine Angebote und Veranstaltungen in der ganzen Stadt bekannt. Der Kulturdezernent der Stadt sichert dem Projekt seine Unterstützung immer wieder öffentlich zu und beteuert die Wichtigkeit für die Kommune. Der Bürgermeister besucht das Gelände. Förderung läuft 2017 aus und Projekt finanziert sich derzeit selbst.

Auf lange Sicht

Zukunftsideen: Vergrößerung des Projektes, Ausweitung des Grundstückes auf die benachbarte, derzeit als Parkplatz genutzte Fläche, Beibehaltung der Offenheit und Flexibilität, Beeinflussung der Politik und Ausweitung der Idee auf andere Standorte als stadtplanerisches Werkzeug, damit solche selbstorganisierten Bürgerprojekte in jeder Stadt entstehen können.

Stadt hat sich ein Vorkaufsrecht zusichern lassen, falls Eigentümer das Gelände verkaufen möchte.

Finanzierung

Zwischennutzung des 3000 Quadratmeter großen Geländes ist für eine jährliche Pacht von symbolisch 1 Euro möglich, solange das Grundstück vom Besitzer nicht genutzt wird. In der Vereinbarung enthalten sind eine sechs-monatige Kündigungsfrist und eine Rückbaupflicht.

Ab 2013 finanzielle Förderung durch das Bundesprogramm „Jugend.Stadt.Labor“ mit ca. 135.000Euro, aufgeteilt auf drei Jahre. Aufbau der Infrastruktur: Gemeinschaftsräume, Strom, Internet, Abwasser, Frischwasser, Toiletten, Werkzeug. Über 80 Prozent der Fördermittel fließen in den Aufbau der Infrastruktur.

Finanzierung läuft derzeit völlig unabhängig von jeglicher Förderung: Durch Mieteinnahmen der einzelnen Projekte, 60 Euro pro Monat pro Container, können neue Ideen in die Tat umgesetzt werden (Open Space-Container für Kulturveranstaltungen etwa).

Muskelhypothek: In der Kerngruppe gibt es viele Handwerker. Fast alle Arbeiten wurden von den Vereinsmitgliedern ehrenamtlich und in Eigenregie geleistet in sogenannten „Builders-jams“.

Organisationsform

Das Platz-Projekt arbeitet als eingetragener Verein, derzeit knapp 100 Mitglieder.

(siehe auch oben/Das Besondere: Arbeiten nach den Prinzipien von Holocracy, Do-ocracy, To-Do-Ocracy, Entscheidungen werden teilweise im monatlichen Plenum getroffen oder bei den Zukunftsworkshops)

Kommunikation

Über Facebook, Flyer, Blogs, Website, Basecamp, Mailverteiler, direkt vor Ort bei den regelmäßig stattfindenden Festen oder Veranstaltungen, es gibt außerdem einen Pressebeauftragten.

Teamentwicklung

100 Vereinsmitglieder, mittlerweile ca. 40 Kernmitglieder, ca. 20 sehr Aktive. Ca. 60 Projektteilnehmer und Hunderte, die immer mal wieder dabei punktuell sind (und wenn auch nur mal für eine Schicht an der Bar).

Ein Mini-Jobber kümmert sich um die anfallenden Hausmeister-Tätigkeiten (Klopapier, Schlüssel, kleinere Reparaturen etc.).

Arbeit im Team ist insgesamt sehr flexibel, unterschiedlichste Aufgabenfelder werden von vielen übernommen. Es gibt immer Leute, die mehr tun als andere und die haben durch ihr Tun in dem Bereich auch mehr Expertise und Entscheidungsgewalt (Do-ocracy). Aufteilung auf Rollen nach dem Holocracy-Prinzip.

Neue Mitglieder dürfen direkt Verantwortung übernehmen und ihre Ideen umsetzen, damit keine starren Hierarchien entstehen.

Immobilien / Planen / Bauen

Grundidee des offenen Projektes: Überseecontainer sind schnell wieder abtransportierbar und können anderswo innerhalb eines Tages aufgestellt werden. Sie haben durch Umzug keinen Wertverlust. Wenn jemand gehen möchte oder das gesamte Projekt scheitert, nimmt jeder sein Projekt einfach wieder mit.

Neues Projekt: 2017 Bau eines zweigeschossigen Gebäudes kombiniert mit Containern für unkuratierte Kultur-Veranstaltungen (Open Space-Bereich). Grundsätzlich sind mehr Projekte, mehr Container und auch mehr Raum gewünscht, großes Nachfrage nach Stellplätzen für neue Container.

Gewünscht sind ab sofort aber auch mehr temporäre Projekte, die die vorhandene Infrastruktur nutzen können und keinen eigenen Container aufstellen müssen.

Nachbarschaft und Stadtteil

Das Grundstück liegt nahe am Rande eines dicht besiedelten, beliebten Stadtteils in Hannover (Linden-Nord/ Linden-Mitte). Standort ist entscheidender Faktor des Projektes. Fast alle Kerngruppenmitglieder wohnen in diesen beiden Quartieren. Zu den „Platz“-Festen (Sommerfest) kommen teilweise hunderte Nachbarn. Auch die benachbarte Skater-Anlage ist in der Nachbarschaft bestens bekannt und beliebt.

Wen oder welche Unterstützung brauchen wir noch?

Weitere Vernetzungen, weitere Förderungen und Geld wären schön, um irgendwann vielleicht das Grundstück selber zu kaufen. Momentan ist das Projekt an die Zwischen-Nutzungsvereinbarung mit dem Besitzer, der Metro-Gruppe, angewiesen und damit immer gefährdet.

Stolpersteine

Der Winter, da kein festes Gebäude vorhanden ist und die allermeisten Container sich wegen schlechter Dämmung nicht zur Nutzung in der kalten Jahreszeit eignen.

Derzeit nur Zwischen-Nutzung des Geländes: Sollte der Eigentümer das Grundstück selber nutzen wollen, muss das Projekt umziehen. Die Zwischen-Nutzungs-Vereinbarung sieht derzeit eine sechsmonatige Kündigungsfrist und eine Rückbaupflicht vor. Gerne möchte das Projekt aber an diesem stadtnahen Platz bleiben. Bei einem Verkauf des Geländes hat sich die Stadt zumindest schon ein Vorkaufsrecht gesichert.

Links und Downloads

Webseite Platzprojekt

Beitrag aus Fernsehen Hannover 2015

Eindrücke aus dem Sommer 2016