Fotos: Peter Liedtke

Stadtteilzentrum Bonni Gelsenkirchen

Kirchenland in Bürgerstiftungshand oder wie man sich selbst neu erfindet

„Wir haben entdeckt, was Menschen verschiedener Kulturen, Religionen, verschiedener Generationen und unterschiedlicher politischer Überzeugungen verbinden kann, ohne dass sie dabei ihre Traditionen und Prägungen aufgeben: die alltäglichen Probleme der Menschen“. Rolf Heinrich, langjähriger Pfarrer an der evangelischen Lukas-Gemeinde in Gelsenkirchen Hassel hat erkannt, dass es gerade in einem Stadtteil mit gemischter Bevölkerungsstruktur und ökonomisch-sozialen Problemen darauf ankommt, möglichst flexibel und offen auf die alltäglichen Herausforderungen zu reagieren. Und er wagt einen nahezu revolutionären Schritt.

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Projekt

Ein evangelisches Gemeindezentrum mit Jugendhaus in Gelsenkirchen wird als Stadtteilzentrum in der Hand einer Bürgerstiftung gesichert und wird um- und ausgebaut.

Gebäudetyp/Nutzflächen

Gemeindezentrum mit Kirche der ev. Lukas-Gemeinde ursprünglich von 1961, Jugendzentrum Dietrich-Bonhoeffer-Haus

Um- und Neubau 2014, Umwandlung eines evangelischen Gemeindehauses in ein Stadtteilzentrum (ca. 3.850 qm)

Neubau Beratungsbüros 2015 (ca. 200 qm)

Gesamtfläche aller Räume: 2.180 qm

Kirchenraum: 556 qm
Beratungsräume: 336 qm
Fahrradwerkstatt: 81,2 qm
Restauration/Küche: 472 qm
Theater/Veranstaltung: 254,6 qm
Jugendbereich: 260 qm
Innere Erschließung: 218 qm

 

Übersichtsplan

Lageplan: Kroos+Schlemper Architekten, Dortmund

Projektstatus

Pionierphase: Neustart nach Umbau unter Bürgerstiftung im August 2015

Das Besondere – Erfolgsbausteine

Eine neue Kooperation zwischen Kirche – Wirtschaft – Bürgerschaft – Stadt ist hier gelungen: das Gemeindezentrum der ev. Lukas-Gemeinde mit Kirche und Dietrich-Bonhoeffer-Haus wird von der Bürgerstiftung „Leben in Hassel“ übernommen. So wird der Leitgedanke der geteilten Verantwortung und Vernetzung im Stadtteil „vor Ort“ zwischen Religionsgemeinschaften, Wirtschaftsunternehmen, Stadtgesellschaft und Politik auf der Basis eines bürgerschaftlichen Engagements rechtlich, ökonomisch und strukturell gefestigt. Die starke Unterstützung der lokalen Wirtschaft ist dabei etwas Besonderes.

Das Landeskirchenamt der Ev. Kirche von Westfalen überträgt Grundstück und Gebäude in einem Duernutzungsvertrag an die Bürgerstiftung Leben in Hassel. Diese bisher einmalige rechtliche Konstruktion erforderte viel juristischen Sachverstand und zähe Verhandlungen. Der Bürgerstiftung wird der Kirchenraum sowohl zur kulturellen als auch zur wirtschaftlichen Nutzung kostenneutral zur Verfügung gestellt.

Die Vision für das Zentrum im Stadtteil ist in einem Prozess über 30 Jahre mit viel Sachverstand, professioneller Unterstützung und Ehrenamt aufgebaut worden. Die Leitidee: Engagement, Integration, Partizipation, Interkulturelle Teilhabe und Offenheit. Das Nutzungskonzept wird nie fertig, lebt und wächst mit den Bedarfen seiner Besucher.

In dem langen Prozess ist es gelungen, mehr als 20 Ehrenamtler aktiv einzubinden und als „Langstreckenläufer gegen Widerstände“ auszubilden. Das Ehrenamt wird dabei auch im Umbau gefordert. Hier sind 4.000 Stunden Eigenleistung als Muskelhypothek der Bürgerstiftung zur Finanzierung festgelegt.

Teilhabe und Spiritualität durch den Motor des Projektes, Pfarrer a.D., heutiger Vorsitzender der Bürgerstiftung Rolf Heinrich. Spiritualität besteht aus:

  • Gastfreundschaft statt Machterhalt
  • Gemeinwohl statt Verbandsinteressen
  • Orientierung an Bedürfnissen der Menschen und Wertschätzung aller
  • Seele, Körper, Geist, Hand & Fuß

Chronologie

Am Anfang


1961: Eröffnung Gemeindezentrum mit Jugendhaus als erste „offene Tür“ in NRW. Schon damals hatte das Zentrum und „Kirche für andere“ im Bergarbeiterstadtteil das Ziel, so zu leben, dass „Alltagsleben und Glaubenswelt, kirchliche, soziale und politische Arbeit ‚vor Ort‘ zusammengehören“.

Man hat sich daran orientiert, was die Leute brauchen (Quartier mit sozialen und finanziellen Problemlagen), so entstanden 1961 Kindergarten, Schule (heute Hauptschule), Jugendzentrum, Versammlungsräume für Gruppen, eine Bücherei und die Lukas-Kirche. Auch baulich ganz an den Zechenstadtteil angelehnt, ist der Kirchturm nach dem Modell eines Förderturms gebaut.


Aufbau


2002: Seit 2002 finden offene Diskussionen „Zukunftswerkstatt Hassel“ mit Kindergärten, Schulen, Religionsgemeinschaften, politischen Parteien, Vereinen und Unternehmen rund um die Themen Strukturwandel, soziale Prozesse und Bedarfe statt. Hieraus entsteht 2004 der Verein „Bildungsoffensive Hassel“.

2005: Die veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen der Kirche, „Finanzkrise und Sparzwang“, führen dazu, dass 2006 die ev. Landeskirche (Kirchenkreis) den Kindergarten, das Jugendhaus und die Versammlungsräume schließen wollen. Die Kosten und Zuschüsse zum Betrieb seien zu hoch.

2006: Entwicklung der Vision eines Stadtteilzentrums, das nicht nur in Trägerschaft der ev. Gemeinde steht, sondern in geteilter Verantwortung von verschiedenen Akteuren im Stadtteil getragen wird. Soziale Angebote sollen auf- und ausgebaut statt abgebaut werden. Die Infrastruktur soll erhalten und durch neue Kooperationen tragfähiger gemacht werden.

2008: Gründung des Vereins „Soziale Stadt – Stadtteilzentrum Hassel“, der das Projekt Stadtteilzentrum begleitet.

Anfang 2010 – 2015: In insgesamt 30 Sitzungen kontinuierliche Weiterentwicklung des Projektes im Rahmen von Lenkungskreis-Werkstätten mit dem Management des Landesprogramms „Initiative ergreifen“ sowie der internen Konzeptgruppe und internen Arbeitsgruppen.

Seit Herbst 2011 ist das Projekt Stadtteilzentrum Hassel einer von bundesweit zwölf Regionalknotenpunkten in dem Kooperationsprojekt „Kirche findet Stadt“.

Architekturwettbewerb der Stadt Gelsenkirchen mit 4 Büros zum Entwurf des neuen Zentrums, aber in 2011 fällt die Entscheidung, dass ein EU-weites Ausschreibungsverfahren nach VOF für die Zulassung zum Wettbewerb erforderlich ist. So muss ein zweiter Wettbewerb stattfinden.


Verstetigung


2011: Im September Gründung der Bürgerstiftung Leben in Hassel mit 51 Stiftern; im Dezember 2011 Anerkennung der Stiftung durch die Bezirksregierung Münster. Allgemeine juristische und steuerrechtliche Abstimmung der Satzung der zukünftigen gGmbH, des Eigentumspaketes (u.a. Erbbaurechtsvertrag) und diverser Verträge.

2012: Gründung der gGmbH, betriebswirtschaftliche Beratung und Prüfung, Vertrag mit BP zur Wartung der Betriebsfahrräder

2013 bis 2015: Um- und Neubau des Zentrums. Im August 2015 findet die Eröffnung des neuen „Bonni“ statt.


Auf lange Sicht


Das Stadtteilzentrum etabliert sich als Ort für Alle im Quartier, Angebote werden rege genutzt. Die Konzeption ist auf zusätzliche Zielgruppen (z.B. ältere Menschen, Geflüchtete) erweitert worden. Der Betrieb läuft ohne Zuschüsse und Gewinne können in weitere Stadtteilprojekte investiert werden.

Finanzierung

Die Gesamtkosten für das Projekt belaufen sich auf ca. 4,5 Millionen Euro.
Förderung: ca. 3,7 Millionen Euro aus Städtebauförderung im Landesprogramm „Initiative ergreifen“ plus 10 Prozent Eigenanteile zur Förderung Stadt Gelsenkirchen: ca. 530.000 Euro und 10 Prozent Eigenanteil zur Förderung Bürgerstiftung: ca. 280.000 Euro
Investitionsvolumen und Finanzierungsansatz (brutto) nach Projektbeschreibung Stadtteilzentrum Gelsenkirchen-Hassel März 2012

  • Gesamtkosten: 4.458.000 Euro
  • Städtebauförderung Land NRW, 80%: 3.566.400 Euro
  • Eigenanteil Stadt GE, 10%: 445.800 Euro
  • Eigenanteil Bürgerstiftung Leben in Hassel 10%: 445.800 Euro
  • Zuschuss Integrationsprojekt: Landschaftsverband LWL/Land NRW (MAIS): -95.200 Euro
  • Zuschuss Integrationsprojekt: Aktion Mensch: -95.200 Euro
  • Zuschuss Integrationsprojekt: Stiftung Wohlfahrtspflege: -95.200 Euro
  • Rest Eigenanteil Bürgerstiftung, darin enthalten Eigenanteil Bürgerstiftung Integrationsbetrieb: 160.200 Euro
  • Muskelhypothek/Selbsthilfe* und Rückspenden von Bau- und Planungsunternehmen: 71.100 Euro
  • Spenden (60.000 Euro schon eingebracht): 70.200 Euro 90.000 Euro

Organisationsform

Der Eigenanteil der Bürgerstiftung Leben in Hassel wird zum Teil als Muskelhypothek (4.000 Stunden à 15 Euro) – vor allem in den Bereichen Abbrucharbeiten, Malerarbeiten und Außenanlagen eingebracht.

Die Kirchengemeinde erweitert sich um einen Kreis von stetigen Kooperationspartnern in der stetigen Diskussion um die Zukunft des Quartiers in einer „Zukunftswerkstatt“. Hieraus entsteht der Verein „Bildungsoffensive Hassel“ und ca. 2 Jahre später der Verein „Soziale Stadt – Stadtteilzentrum Hassel e.V.“

Letzterer hat die Bürgerstiftung „Leben in Hassel im September 2011 mit 51 Stiftern aus Bürgerschaft, Religionsgemeinden und Unternehmen und einem Stiftungskapital von 60.000 Euro gegründet. Im Kuratorium sind neben Vertretern aller Konfessionen und Akteuren aus der Wirtschaft auch der Oberbürgermeister der Stadt Gelsenkirchen (qua Amt nicht Person: derzeit Frank Baranowski). Zudem gibt es einen 15-köpfigen Beirat, der ein Mal jährlich tagt, dem u.a. der Soziologieprofessor Dr. Klaus Strohmeier angehört. Weitere Informationen hierzu unter www.lebeninhassel.de. Die Satzung der Bürgerstiftung finden Sie hier.

Die Lukas-Gemeinde als Eigentümerin des Grundstücks und der Gebäude ist bereit, Teile des Gebäudeensembles in das Projekt Stadtteilzentrum Hassel im Rahmen eines erbbaurechtsähnlichen Vertrages ohne Zinszahlung (rechtlich eher ein Dauernutzungsvertrag) einzubringen. Davon ausgeschlossen sind die Kirche, die aber über die gGmbH vermietet werden darf, das Familienzentrum und das Pfarrhaus mit Gemeindebüro. Die Bürgerstiftung Leben in Hassel erhält von der Kirchengemeinde die Immobilien über einen Dauernutzungsvertrag mit einer Laufzeit von 75 Jahren. Die Vereinbarung sieht einen Verzicht auf die Zahlung eines Erbbauzinses für einen Zeitraum von 25 Jahren vor. Eine genaue Flächenabgrenzung wurde vorgenommen und ein Verkehrsgutachten zu den Gebäuden erstellt.

Zur Gewährleistung des Betriebs des Stadtteilzentrums gründet die Bürgerstiftung eine Betreibergesellschaft in der Rechtsform einer gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH). Diese ist eine 100%ige Tochter der Bürgerstiftung. In einem Gesellschaftervertrag auf unbestimmte Zeit sind u.a. die Aufgaben der gGmbH beschrieben. Der Vorstand der Bürgerstiftung schließt die Verträge mit der gGmbH und stellt das Kontrollorgan (vgl. Aufsichtsrat) dar. Der wirtschaftliche Rahmen ist ein Wirtschaftsplan, der jährlich angepasst wird. Die gGmbH erstellt Jahresabschlüsse (bei Bedarf auch Quartals- oder Halbjahresabschlüsse) über das laufende Geschäft für die Stiftung.

Die gGmbH wird verantwortet durch einen Geschäftsführer, derzeit Frau Eva Frenzen. Sie führt die gGmbH eigenständig und in eigener Verantwortung. Neben der fachlichen und wirtschaftlichen Verantwortung hat die Geschäftsführung auch die Personalverantwortung für die eingesetzten Mitarbeiter. Einstellungen und Entlassungen sind mit dem Vorstand der Stiftung ab einer Jahresgehaltshöhe von 30.000 Euro abzustimmen.

Aufgaben der gGmbH sind die Zweckbetriebe:

  • Fahrradwerkstatt (als eigene UG) – nicht Teil des Aufgabengebietes der gGmbH
  • Restauration
  • (Kultur-)Veranstaltungen, Tagesvermietungen
  • Wirtschaftliche, organisatorische und konzeptionelle Verantwortung (in Abstimmung mit der jeweiligen Bereichsleitung)

Die Offene Tür Bonni mit ihrer Kinder- und Jugendarbeit wird direkt an die Bürgerstiftung angebunden. Das Bonni wird damit kein wirtschaftlicher Zweckbetrieb der gGbmH, sondern der Bürgerstiftung. Ihr obliegt die inhaltliche Ausrichtung im Sinne ihres Satzungszwecks der „Förderung von Kinder-, Jugend- und Altenhilfe“, der durch die „Entwicklung und Durchführung von Maßnahmen und Projekten der Kinder-, Jugend- und Altenhilfe“ realisiert wird. Die Verantwortung für Raumkoordination, Mitarbeitereinsatz, organisatorischer und finanztechnische Unterstützung liegt bei der gGmbH.

Die gGmbH ist zudem zuständig für die dauerhaften Vermietungen von Räumlichkeiten an externe Dienstleister (wie die im Modul Beratung und Therapie), deren Angebote konzeptionell relevant sind für das Stadtteilzentrum GE-Hassel. Derzeit z.B. durch das EU-geförderte Projekt PLAN:B zur Stärkung der lokalen Ökonomie der Stadt Gelsenkirchen.

Ein Nutzungsüberlassungsvertrag regelt zudem die Nutzung von Kirchenraum und Stadtteilzentrum zwischen den Vertragspartnern Bürgerstiftung Leben in Hassel und der Ev. Lukas-Kirchengemeinde.

Das Familienzentrum, das sich seit 2011 in Trägerschaft der Ev. Kindergartengemeinschaft Gelsenkirchen und Wattenscheid befindet, ist zudem ein zentraler Kooperationspartner des Stadtteilzentrums.

Kommunikation

Seit 30 Jahren ist die direkte Kommunikation mit den Bewohnern und den unterschiedlichsten Religionsgemeinschaften, Vereinen sowie der lokalen Wirtschaft von der Lukas-Gemeinde und dem Dietrich-Bonhoeffer-Haus gepflegt worden. Von der Vision sind alle infiziert worden.

Ein großer Teil der Kommunikation des Projektes in Fachkreisen findet über Publikationen des Programms „Initiative ergreifen“ und des Bauministeriums statt.

Die örtliche Presse berichtet häufig und gern. Vor Ort ist das Projekt bekannt. Zudem ist es integriert in das Programm Stadtteilerneuerung in Hassel, Westerholt, Bertlich und wird über diese Strukturen kommuniziert.

Die interne Kommunikation findet informell (Treffpunkt ist die große Theke in der Eingangshalle) sowie auf Sitzungen des Vorstands und des Kuratoriums der Bürgerstiftung statt. Die Werbestrategie für das Bonni befindet sich noch im Aufbau. Bisher wird der Veranstaltungsflyer ehrenamtlich von einer Designerin gestaltet.

Teamentwicklung

Die interne Teamentwicklung mit festen Strukturen befindet sich zum Zeitpunkt der Befragung noch im Aufbau. Es finden bisher 1 x monatlich Teamsitzungen mit dem Küchenteam (5 Mitarbeiter plus Honorarkräfte) statt. Die unterschiedlichen Bereiche als Fahrradwerkstatt mit 2 Mitarbeitern plus 2 Honorarkräften und die Mitarbeiter im Jugendbereich, der ja direkt von der Stiftung und nicht von der gGmbH betrieben wird, mit 3 Mitarbeitern plus Honorarkräften, haben bisher keine gemeinsamen Treffen. Das läuft eher über persönliche Absprachen mit der Geschäftsführerin oder im informellen Kontakt, so Eva Frenzen.

Es gibt aber verschiedene Sitzungen zu verschiedenen Themen, so z.B. Restauration und Bau, die regelmäßig einberufen werden. Zudem gibt es auch einen Kulturausschuss.

Immobilien/Planen/Bauen

Günther Marschall, ein bekannter Architekt der Nachkriegszeit im nördlichen Ruhrgebiet, plante 1960 das Gebäudeensemble aus Jugendheim, Bibliothek, Pfarrhaus und Kindergarten in Nachbarschaft einer fünfeckigen Kirche. Die ehemalige Bibliothek mit Veranstaltungsräumen war mit dem Jugendheim ursprünglich nur durch eine offene Gitterwand an der Bußmannstraße verbunden. Präsenz hat der hohe Kirchturm der Lukas-Kirche, der optisch einem Förderturm nachempfunden ist.

Das bauliche Konzept für den Um- und Neubau orientierte sich an der historischen Struktur und an dem Raumprogramm des neuen Bonni. So entstand eine Erweiterung des Altbaus, aber auch ein kleiner ergänzender Neubau. Im erweiterten Altbau finden sich das Beratungszentrum mit Multifunktionsraum und Mutter-Kind-Raum. Im Neubau werden zukünftig Therapie- und Ausbildungsräume untervermietet.

Die Bauarbeiten zum Umbau des Gemeindezentrums der Ev. Lukas-Gemeinde in das Stadtteilzentrum Hassel erfolgten in zwei Bauabschnitten bei laufendem Betrieb. Die Planung und Bauleitung lag bei Kroos+Schlemper Architekten, Dortmund. Der erste Bauabschnitt des Stadtteilzentrums ist im Sommer 2015 eröffnet worden, zurzeit wird der zweite Bauabschnitt (Außenanlagen und Kirchengebäude) umgesetzt. Für den Umbau der Kirche zum Multifunktionsraum war ein weiterer Bauantrag gemäß Versammlungsstättenverordnung, d.h. die Erfüllung erhöhter Brandschutzmaßnahmen, notwendig. Die Umbaumaßnahmen an den Außenanlagen werden teilweise in Eigenleistung der Stiftung durchgeführt.

Nachbarschaft und Stadtteil

Schon seit 50 Jahren ist die Lukas-Gemeinde ein Ort für Soziales und Gemeinwesenarbeit im Stadtteil. So wird in der Projektbeschreibung des Stadtteilzentrum Hassel 2012 erläutert: „Nicht ‚Kirche für andere‘, nicht Menschen, die für andere reden, war das Anliegen, sondern mit anderen gemeinsam die Probleme des Alltags bewältigen. Die Menschen des Stadtteils wollten die Fragen nach ihrer Lebensqualität nicht nur den Politikern, Gewerkschaftlern oder Managern großer Unternehmen überlassen, sondern sie versuchten, selbst aktiv zu werden und zur Gestaltung ihres Stadtteils beizutragen. Die Lukas-Gemeinde stellte ihnen ihre Räume, ihre technischen Geräte und Materialien, ihre Mitarbeiter zur Verfügung, die die Prozesse bürgerschaftlichen Engagements begleiteten und berieten und damit in einen wechselseitigen Lernprozess eintraten. Verschiedene Formen bürgerschaftlichen Engagements (von Bürgerinitiativen über Kirchenasyl und Stadtteilfesten) orientierten sich an den elementaren Bedürfnissen der Menschen (Wohnen, Arbeiten, Bildung, Zusammenleben verschiedener Kulturen). Menschen organisieren und engagieren sich im überschaubaren Nahbereich und Lebensraum. Sie lernen dabei, das zu gestalten, was sie unmittelbar gestalten können in kleinen Einheiten und auf den regionalen Lebensraum bezogen.“

Das Gemeindezentrum der Lukas-Gemeinde bestand aus der Integrativen Kindertagestätte (Familienzentrum), dem Kinder-, Jugend- und Kulturzentrum Dietrich-Bonhoeffer-Haus (Offene Tür (OT) Bonni) und der Lukas-Kirche. Im Laufe der Jahre hat sich das Gemeindezentrum sowohl als zentraler Ort für sozial-integrative Kinder-, Jugend- und Familienarbeit als auch als Versammlungs- und Veranstaltungsort für zahlreiche Gruppen, Initiativen und Vereine etabliert. Der Stadtteil Hassel im Gelsenkirchener Norden steht vor den bekannten Herausforderungen, die aus dem anhaltenden Strukturwandel und der demografischen Entwicklung resultieren. Zusammen mit den angrenzenden Hertener Stadtteilen Bertlich und Westerholt bildet Hassel daher ein Programmgebiet des gemeinsamen Interkommunalen Integrierten Handlungskonzeptes im Rahmen des Landesprogramms Soziale Stadt.

Im Zuge der Neuausrichtung unter Verantwortung der Bürgerstiftung ist das Gemeindezentrum zum Stadtteilzentrum weiterentwickelt worden. Dabei sind die zentralen Bausteine neben der Fortführung der offenen Kinder- und Jugendarbeit: eine Fahrradwerkstatt, eine stärkere Vernetzung stadtteilrelevanter Beratungsdienstleistungen plus Stadtteilbüro, die Ausweitung der Kulturveranstaltungen sowie eine Restauration als Integrationsbetrieb mit Mittagstisch, Catering und anderen Verköstigungsangeboten für Schulen, Kindertagestätten, Senioreneinrichtungen und Stadtteilbewohner. Das alles funktioniert nicht ohne die Nachbarschaft, die sich seit Generation hier ehrenamtlich engagiert.

Stolpersteine

Ein Stolperstein waren die langen Verhandlungen mit der Landeskirche zum Übertrag von Grundstück und Gebäuden, da eine rechtlich neue Konstruktion erarbeitet werden musste. Die Bürgerstiftung als juristischer Partner wurde nur schwer akzeptiert. Viele Sicherheiten wurden gewünscht. Es sollte kein Risiko für die Stadt und die Kirche entstehen. Hilfreich war hier dann der Zufall, dass der Fachanwalt der Anwaltskanzlei der Landeskirche das Thema so innovativ und spannend fand, dass er sich da intensiv „reingefuchst“ hat.

Die Akteure sind zu Langstreckenläufern gegen Widerstände geworden. Das fiel besonders schwer, denn „im Ruhrpott wird nicht lange gefackelt, sondern direkt wat getan“, so der langjährige Ehrenamtler Manfred Chajewski. Der Bürokratismus während der Antragstellung Soziale Stadt und Initiative ergreifen und in der gesamten Bauabwicklung stellt eine Hürde dar.

Wen oder welche Unterstützung brauchen wir noch?

Zunächst braucht es den ganzen Stadtteil, der das neue Bonni noch mehr mit Leben füllt.

Es braucht weiterhin mehr personelle (professionelle und ehrenamtliche) und finanzielle Unterstützung für die pädagogische Arbeit, so Sozialpädagoge Uli Kaminski, der von Anfang an im Prozess dabei war. Diese Jagd nach Fördergeldern für Projekte ist sehr zeit- und kraftzehrend. Kinder-, Jugend- und Sozialarbeit kann nicht kostendeckend und nach Wirtschaftsplänen arbeiten.

Das Spannungsverhältnis zwischen Hauptamt und Ehrenamt sowie die Selbstausbeutung in beiden Positionen ist ein Thema, für das noch ein Lösungsweg gefunden werden muss.

Sonstiges

„Das Projekt ‚Stadteilzentrum Hassel‘ kann zu einem Modell werden, wie soziale Verantwortung unter veränderten Rahmenbedingungen partnerschaftlich von verschiedenen Akteuren im Stadtteil gemeinsam getragen wird, ohne in Konkurrenzverhältnisse auseinander dividiert zu werden. Organisatorisch und inhaltlich führt es durch vielfältige Vernetzungen zu einer neuen Art und einem neuen Stil von Gemeinwesen‚arbeit‘“, heißt es in der Projektbeschreibung Stadtteilzentrum Gelsenkirchen-Hassel 2012.

Oder, wie es im Bericht zur Stadtentwicklung 2015/2016 des MBWSV genannt wird: „Vor allem das Lernen an den Schnittstellen der verschiedenen Nutzungen und die Erfahrung potenzieller Synergien sollen dazu beitragen, dass das Stadtteilzentrum zu einem ‚Lernlabor‘ für die Zukunft im Quartier wird.“

„Die Zukunft wird nicht leichter aber spannend. Wir verstehen uns als ewige Baustelle“, resümiert Sozialpädagoge Uli Kaminski.

Links & Downloads

Autorin: Antje Eickhoff