Der Putz an den Wänden ist abgeblättert, stattdessen schmücken Street Art, Plakate und Slogans die Flächen, im Hintergrund läuft entspannte elektronische Musik und auf der Speisekarte stehen Angebote wie „Pasta mit Rote-Beete-Walnuss-Pesto und gegrilltem Fenchel“ oder „Kartoffelgratin mit Salbei“, alles 100 Prozent vegan. Das Café „Nasch“ verbreitet im besten Sinne den Charme eines alternativen Projektes, in dem man viele Stunden sitzen und eine bessere Welt planen kann. Und doch ist hier etwas anders. An den Tischen drängeln sich zur Mittagszeit auch jede Menge Leute im Business-Dress. Zum Nachtisch freuen sich alle auf die köstlichen Cookies mit Namen wie „HE-Man“ (Hafer, Rosine, Zimt, Haselnuss) oder „Power-Ranger“ (Mandel, weiße Schokolade, Cranberry) und genießen, dass es mitten in der Hamburger Innenstadt einen solch entspannten Ort gibt. Und vielleicht gehen sie anschließend noch eine kleine Runde um die zwölf historischen Gebäude, die zu dem Projekt gehören, besuchen die benachbarte „Entwurfswerkstatt“, in der Planer unterschiedlichster Fachrichtungen die Stadt von morgen konzipieren, oder schlendern durch die verschiedenen Höfe, in denen sich vielerorts Sitzecken oder Kunstinstallationen befinden.
WeiterlesenSeit der kulturellen Inbesitznahme am 22. August 2009 wurde das Projekt Gängeviertel durch die Initiative „Komm in die Gänge“ intensiv mit der Freien und Hansestadt Hamburg (Eigentümerin) verhandelt. Ein wichtiger Meilenstein war der Beschluss einer Kooperation, um das Quartier zu sanieren und langfristig in die angestrebte Selbstverwaltung durch die Nutzer zu überführen.
In den Obergeschossen befinden sich Wohnungen und Wohnateliers (sanierte Gebäude) und Ateliers (unsanierte Gebäude). Diese werden je nach Größe von Einzelpersonen, Wohngemeinschaften oder Familien genutzt. In den Erdgeschossen finden sich öffentlichkeitsbezogene Nutzungen. In den ehemaligen Laden-und Gewerbeeinheiten sind aktuell untergebracht:
Die „Fabrique“ ist ein soziokulturelles Zentrum mit Seminarraum, Fotostudio, Bewegungs- & Tanzraum, Theaterprobebühne, Küche, Radiosender, Siebdruck- und Farbatelier und mit Galerie- und Veranstaltungsflächen.
Das Gängeviertel ist ein Quartier aus dreizehn historischen, bis zu 350 Jahre alten Häusern. Alle Häuser gehören zum Projekt und stehen größtenteils unter Denkmalschutz. Sie befinden sich mitten in der westlichen Hamburger Innenstadt (Neustadt) zwischen den Wallanlagen, der Laeiszhalle und dem Gänsemarkt, entlang der Straßen Valentinskamp, Caffamacherreihe und Speckstraße. Im Gängeviertel lässt sich die einst stadtprägende intensive Nutzungs- und Funktionsmischung erkennen und erfahren. Angelegt auf den früheren Grundrissen einer gewachsenen und dichten Baustruktur, vermittelt das Gebäudeensemble einen anschaulichen Eindruck davon, wie in Hamburg über Jahrhunderte gewohnt und gearbeitet wurde.
Neben elf ehemaligen Wohn- und z.T. Geschäftshäusern befinden sich im Quartier auch zwei Gewerbebauten, eine frühere Fabrik für Metallverarbeitung und eine ehemalige Tischlerei. Die meisten der dreizehn Häuser stammen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das älteste wurde um 1650 errichtet, das jüngste 1903.
Straßenseitig wird die Ansicht des Gängeviertels durch fünfgeschossige Wohn- und Geschäftshäuser vor allem aus der Gründerzeit geprägt. Am Valentinskamp liegt eines der letzten Fachwerkhäuser in der Hamburger Innenstadt. Die Höfe und Passagen sind kleinteiliger bebaut, mit teilweise wenig belichteten Terrassenhäusern.
Je nach Baualter verfügen die Häuser über unterschiedliche Grundrisskonfigurationen. So gibt es u.a. Wohnungen ohne zentralen Flur, mit gefangenen Zimmern ohne Fenster oder reinen Durchgangszimmern. Mehrheitlich sind die Gebäude sogenannte Zweispänner.
Bruttogeschossfläche: 7.855 qm
Gesamtfläche Gewerbe (EG): 1.070 qm
Gesamtfläche Wohnen: 5.050 qm
Gemeinbedarfsflächen Fabrique: 1.735 qm
Zusätzlich gibt es drei Innenhöfe/Passagen sowie eine Brachfläche mit einer Größe von ca. 1.500 qm.
Das Projekt befindet sich in der Verstetigungsphase.
Bis zur jeweiligen Sanierung befinden sich die Häuser und deren Flächen in einer Art Zwischennutzung. Diese Gebäude und Flächen werden vom Verein Gängeviertel e.V. als Atelierflächen sowie in den Erdgeschossen für unterschiedliche öffentliche Nutzungen zur Verfügung gestellt. Hier kann kostengünstig und risikoarm mit Nutzungsideen und Konzepten experimentiert, probiert und getestet werden, und es gibt Atelierraum zum Arbeiten. Eine der Hauptaufgaben in dieser Projektphase ist die Gleichzeitigkeit von Verstetigung und Wandel sowie die Überführung und Transformation der „Freiräume“ in sanierte Flächen.
Seit Oktober 2011 ist das Gängeviertel ein förmlich festgelegtes Sanierungsgebiet nach § 142 BauGB und Stadtumbaugebiet nach § 171b BauGB – unter treuhänderischer Verwaltung des Sanierungsträgers steg Hamburg GmbH. 2015 hat die Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG mit der steg Hamburg GmbH einen Generalmiet- und Verwaltervertrag geschlossen. Sie tritt somit gegenüber den Mietern der sanierten Flächen als Vermieterin und Verwalterin auf. Die unsanierten Gebäude werden vom Gängeviertel e.V. betreut – mal mit und mal ohne Nutzungsvereinbarung.
Aktuell sind drei Häuser fertig saniert (Wohn- und Geschäftshäuser Caffamacherreihe 37-41 und Caffamacherreihe 43-49 sowie die Fabrique, Valentinskamp 34a). Die Fabrique wird vom Gängeviertel e.V. als soziokulturelles Zentrum betrieben: Angemietet bei der Genossenschaft, stellt der Verein hier unterschiedlichen soziokulturellen Nutzungen Flächen zur Verfügung.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es einen Bau-und Planungsstop für die Sanierungsarbeiten. Dieser wurde von den Aktiven des Projekts gefordert, da es große Schwierigkeiten im bisherigen Verlauf der Sanierung gab. Derzeit werden alternative Sanierungsmöglichkeiten sowie Optionen zur Übernahme der Häuser in Eigentum vom Gängeviertel geprüft.
Kulturelle Inbesitznahme des Gängeviertels: Anders als bei herkömmlichen Besetzungen haben die Aktivisten des Gängeviertels bei ihrer „kulturellen Inbesitznahme“ nicht wie klassische Besetzer gehandelt: Es wurden nicht die medial bekannten Vorgehensweisen gewählt, sondern Einladungen zur Teilhabe an kulturellem städtischen Leben ausgesprochen (z.B. rote Teppiche ausgerollt und Ausstellungen vorbereitet). Bauzäune und Absperrgitter wurden über Nacht geöffnet, damit wieder ein offener Stadtraum entstehen konnte. Und es wurden die Häuser geöffnet, in denen Ausstellungen, Performances u.v.m. die kulturelle Vielfalt der Hamburger Off-Kulturszene präsentierten und den Besuchern Anreize boten, das Viertel zu erkunden. Darauf aufbauend haben inzwischen Hunderte von ehrenamtlichen und freiwilligen Menschen ein großes Angebot an politischen, kulturellen, künstlerischen, sozialen und Bildungsprogrammen geschaffen, das sich fortlaufend erweitert, neu erfindet und mit niederschwelligem Zugang erlebbar ist.
Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG: Die neu gegründete Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG ist eine Kulturgenossenschaft, die als Projektentwicklungsgenossenschaft gegründet wurde. Bis zur Belegung der ersten Häuser (Februar 2015) verfolgte die Genossenschaft „nur“ den Geschäftszweck der Akquise von Mitgliedern. Dazu wurde ein Treuhandmodell entworfen, das sowohl die Sicherung der angesparten Gelder als auch eine höchstmögliche Flexibilität für die Genossen sicherte. 2014 wurde die erste gesetzliche genossenschaftliche Pflichtprüfung erfolgreich abgeschlossen. 2015 wurden die ersten sanierten Gebäude in die Verwaltung der Genossenschaft übergeben, wozu ein Generalmiet- und Verwaltervertrag geschlossen wurde.
Abkehr der Freien und Hansestadt Hamburg vom Höchstpreisverfahren: In der Folge der fachlichen und politischen Debatten um das Gängeviertel hat die Freie und Hansestadt Hamburg sich offiziell von der Anwendung des Hochpreisverfahrens zum Verkauf von kommunalen Liegenschaften verabschiedet.
Anhaltendes, intensives ehrenamtliches Engagement ist ein besonders wertvoller Baustein.
Support und externe Beratung: Das Projekt wird seit Anbeginn von vielen Menschen und Institutionen unterstützt und beraten. Dazu zählen unter anderen Rechtsanwalt Michael Günther und Gaby Fürst, die Nordlicht Akademie (Strukturentwicklung), Mieter helfen Mietern (Beratung bei mietrechtlichen Angelegenheiten und in den Verhandlungen mit der FHH), der Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften, P99 (Verwaltungsdienstleister für Wohnprojekte) oder Stattbau (Fragen rund um Sanierung und Bauprojekte).
„Recht auf Stadt“-Netzwerk: Das Gängeviertel ist Teil eines Netzwerkes aus 63 Hamburger Initiativen, die sich für bezahlbaren Wohnraum, nichtkommerzielle Freiräume, Vergesellschaftung von Immobilien, eine neue demokratische Stadtplanung und die Erhaltung von öffentlichen Grünflächen einsetzen.
Öffentliche Angebote: Ausstellungen, Konzerte, Lesungen, Partys, Performances sind ständige Begleiter. Das Gängeviertel ist auch Bildungs- und Lernort für Praktikanten aus Schule, Hochschule, Berufseinsteiger etc. Im Zuge der Sanierung werden öffentliche Bausymposien sowie Workshops angeboten und Bauhütten haben Teile der Sanierung begleitet.
Juni/Juli: Bildung der Initiative „Komm in die Gänge“
22./23.08.: Hoffest und kulturelle Inbesitznahme des Viertels
26.08.: Beginn der Verhandlungen mit der Freien und Hansestadt Hamburg
26.10.: Gründung des Vereins Gängeviertel e.V.
16.12.: Hamburger Senat und Investor unterzeichnen einen Rückabwicklungsvertrag, Abkehr der Freien und Hansestadt Hamburg vom bis dahin geltenden „Höchstgebotsverfahren“, das den Verkauf städtischer Liegenschaften zum höchsten Preis und nicht nach konzeptioneller Qualität vorschrieb.
Frühling bis Herbst: Umfassende Bestandsaufnahme und vorbereitende Gutachten werden erstellt. steg Hamburg GmbH und Gängeviertel e.V. erarbeiten das „Integrierte Entwicklungs-Konzept“ (IEK) als Grundlage der bevorstehenden Sanierung.
15.11.: Gründung der „Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG“
Herbst und Winter: Vorzeitiges Ende der schwarz-grünen Regierung, die Verhandlungen liegen brach.
Juni: Eintragung der „Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG“
08.09.: Kooperationsvertrag zwischen Gängeviertel und Freien und Hansestadt Hamburg wird unterzeichnet.
4.10.: Der Hamburger Senat legt das Sanierungsgebiet Gängeviertel förmlich fest nach § 142 BauGB und Stadtumbaugebiet nach § 171b BauGB. In der Folge wird die steg vom zuständigen Bezirk Mitte als Sanierungsträgerin eingesetzt.
Dezember: Gängeviertel-Verein und Genossenschaft richten eine Baukommission ein als Interessensvertretung des Projekts gegenüber der steg, der BSU (Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt) und dem Bezirk und als Vermittler und „Übersetzer“ zwischen den Prozessbeteiligten.
01.05.: Übertragung des Gängeviertels ins Treuhandeigentum der steg für die Dauer der Sanierung
03.05.: steg mbH und Architekturbüro Plan-R unterzeichnen einen Architektenvertrag für den ersten Bauabschnitt (drei Gebäude), die Baukommission der Initiative nimmt offiziell ihre Arbeit auf.
06.07.: Zweites öffentliches Bausymposium (Thema „Grundrisse, Variabilität, Standards und Gärten“)
Oktober: Auszeichnung des Gängeviertels durch die UNESCO als „Ort besonderer kultureller Vielfalt“
12.12.: Erteilung der Baugenehmigung für das erste Gebäude
01.11.: Drittes öffentliches Bausymposium (Thema „Energie, Wärme, Dämmung“)
16.10.: Viertes öffentliches Bausymposium (Thema „Freiraumplanung – wohin mit Fahrrädern und Müll?“)
November: Zwischen Steg und IFB (Hamburgische Investitions- und Förderbank) wird ohne Beisein der Gängeviertel eG ein Modernisierungsvertrag unterzeichnet. Die Verhandlungen über einen Generalmiet- und Verwaltervertrag für Gängeviertel 2010 eG laufen auf Hochtouren und gestalten sich sehr schwierig.
Frühjahr: Gängeviertel ruft einen Planungsstopp aus. Seither werden seitens des Vereins und der Genossenschaft alternative Vorgehensweisen geprüft, und es wird über eine konkrete Übernahme in Eigentum des Geländes nachgedacht.
Generalmiet- und Verwaltervertrag wird durch die Genossenschaft unterschrieben
Herbst: Fertigstellung des zweiten Wohngebäudes und der „Fabrique“
18.04.: Fünftes öffentliches Bausymposium (Thema „Kooperationsverfahren und Sanierungsprozess“) mit teilweise geschlossenem Arbeitskreis
Das soziokulturelle Programm im Gängeviertel wird durch die Beitragseinnahmen und Spenden finanziert, die der Verein Gängeviertel e.V. erhält.
Die Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG finanziert sich durch Eintrittsgelder (Beitritt in die Genossenschaft) und die jeweiligen Verwaltungspauschalen für die Vermietung der sanierten Flächen sowie durch Einnahmen aus Merchandise-Verkäufen (Kalender, T-Shirts, Pullover, Postkarten u.v.m.), Buchverkäufen („Mehr als ein Viertel“) und Bildungsangeboten (Rundgänge mit verschiedenen Ausrichtungen).
Das Projekt erhält keine institutionelle Förderung, immer wieder aber werden einzelne Projekte, Gruppen und Vorhaben gefördert (u.a. von der Kulturbehörde Hamburg und mehreren Kultur- und Denkmalstiftungen).
Die Sanierung der städtischen Gebäude wird bislang durch die Freie und Hansestadt Hamburg finanziert, die Finanzierung ergänzt sich u.a. durch die Städtebauförderung des Bundes, RISE-Mittel, EFRE-Gelder und eine Förderung der Stiftung Denkmalpflege.
Die Nutzer der unsanierten Flächen entrichten einen Beitrag an den Verein, der im wesentlichen die Kosten für Gebäudeversicherungen und Instandhaltung deckt.
Die sanierten Flächen sind öffentlich gefördert, und zwar pro Quadratmeter wie folgt:
Instandhaltungspauschale: 10 Euro/Quadratmeter pro Jahr, außer in der Fabrique, dort sind es nur 5 Euro/Quadratmeter pro Jahr
Verwaltungspauschale 350 Euro/Einheit pro Jahr
Begonnen hat das Projekt als Initiative „Komm in die Gänge“, für ein selbstverwaltetes, öffentliches und lebendiges Quartier. Ausgehend von dieser Initiative wurde eine offene und basisdemokratisch orientierte Struktur gewählt, in der wichtige Entscheidungen (u.a. zur Beratung/Empfehlung an den Verein und die Genossenschaft) im gemeinsamen Plenum beschlossen werden. Die Arbeit im und rund um das Projekt wird durch zahlreiche ehrenamtlich tätige Arbeitsgruppen geleistet (u.a. Programmbuchung und Durchführung, Kommunikation, Verhandlung, Baukommission, Kuratorium). Die Mitwirkung in diesen Arbeitsgruppen ist durch niedrigschwelligen Zugang vielen Menschen möglich. Alle relevanten Themen werden in der wöchentlich stattfindenden Vollversammlung erörtert und ggf. beschlossen.
Im Oktober 2009 wurde der gemeinnützige Verein Gängeviertel e.V. gegründet, als „greifbare, verlässliche Rechtsperson“ und als Verhandlungspartner der Stadt. Der Verein befasst sich mit der inhaltlichen sowie programmatischen Ausrichtung des Projekts und ist Mieter sowie Betreiber der Fabrique im Gängeviertel und der Alten Bahnmeisterei (Ausweichfläche für weitere Projekte) im Oberhafen (HafenCity).
Im November 2010 wurde die Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG als Kulturgenossenschaft gegründet. Sie ist Verwaltungsorgan und Vermieterin der sanierten Flächen und hat als solche 2015 ihre Tätigkeit aufgenommen. So wurden strukturell die wohnwirtschaftlichen Tätigkeiten von den programmatischen Aktivitäten des Vereins getrennt und die Genossenschaft tritt als Verwalter gegenüber der Eigentümerin Freie und Hansestadt Hamburg auf.
Die Eintragung der Genossenschaft als Projektentwicklungsgenossenschaft basierend auf der Neuordnung des Genossenschaftgesetzes von 2009 ermöglichte den Aufbau eines Kapitalstocks vor Aufnahme der regulären Geschäftstätigkeit als Verwalter. Für die Verwaltungstätigkeiten hat der Vorstand der Genossenschaft eine Prokuristin bestellt, die damit die erste bezahlte Arbeitsstelle im Projekt Gängeviertel ausfüllt. Die Motivation zur Gründung war, den eigentlichen Grundgedanken von Genossenschaften wieder aufzugreifen und seinen Mitgliedern soziale Hilfen zu schaffen in Form von günstigem Wohn- und Arbeitsraum sowie Kultur und Bildung. Der rein wohnwirtschaftlichen Ausrichtung von heutigen Wohnungsbaugenossenschaften wird in der Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG entgegengewirkt. Darüber hinaus ist die Rechtsform der Genossenschaft basisdemokratisch, alle Mitglieder (Genossen) haben die gleichen Rechte mit geringem Haftungsrisiko für den Einzelnen. Die Gründung der Genossenschaft wurde notwendig, um die Gemeinnützigkeit des Vereins zu schützen. Die strukturellen Belange des Gängeviertels werden durch Verein und Genossenschaft getragen. Die Genossenschaft ist dabei zuständig für die Verwaltung und Organisation und der gemeinnützige Verein in seinem Kernbereich für (Sozio-)Kultur und Bildung.
Verein und Genossenschaft sind über die Satzung der Genossenschaft miteinander verknüpft. In jedem Organ ist ein Vertreter des jeweils anderen vertreten, dies soll langfristig das Gestalten gemeinsamer und Aushandeln unterschiedlicher Interessen gewährleisten.
Das Projekt bemüht sich von Anfang an um eine professionelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, es gibt eine Kommunikationsarbeitsgruppe und eine Pressesprecherin. Im Laufe der Jahre wurde einige Routine im Ausrichten von Pressekonferenzen und Interviews erworben. Das Projekt stand zu Beginn intensiv und im weiteren Verlauf immer wieder im Fokus der Öffentlichkeit, und es sind sehr viele Artikel und Berichte, Radio und Fernsehbeiträge von lokalen, nationalen und internationalen Medien verfasst und ausgestrahlt worden. Dies hat bei der Durchsetzung und Verstetigung des Projektes enorm geholfen.
Regelmäßig werden Vertreter des Gängeviertels zu Diskussionen, Veranstaltungen, Workshops, Vorträgen, Symposien, Austauschprogrammen und in Hochschulen im In- und Ausland eingeladen. Dies ist eine wichtige Ebene der Kommunikation, des Austauschs und der Vernetzung.
Jede/r kann mitmachen!
„Vollversammlung“ (VV) ist einmal wöchentlich und wird durch ein bis zwei Menschen geleitet, die Taktung ist abnehmend.
Es gibt verschiedene Arbeitsgruppen, z.B. Kommunikations-AG, Programm, Kuratoren, Vokü, Zukunfts-AG, Verhandlungs-Gruppe, Baukommission. Bei Bedarf werden Vertreter einzelner Arbeitsgruppen durch die VV gewählt und somit legitimiert. Die Arbeitsstände und Ergebnisse werden auf der VV vorgestellt und abgestimmt.
Es gibt sowohl ehrenamtliches Engagement als auch bezahlte Honorartätigkeiten und Angestellte in Teilzeit.
Gremienarbeit der Genossenschaft: Vorstand, Aufsichtsrat, Prokuristin in bezahlter Teilzeit, eine 450-Euro-Kraft
Die einzelnen Häuser wählen einen oder zwei Hauspaten, sie sind Ansprechpartner für Nutzer und Gremien, kümmern sich um und vertreten die Belange des Hauses und der Belegung. In regelmäßigen Abständen trifft sich der Hauspatenrat.
„Fabrique“: Verwalterin und Vermieterin ist die Gängeviertel eG, Mieter ist Gängeviertel e.V., die einzelnen Nutzungseinheiten werden jeweils von größeren oder kleineren Nutzergruppen/Zusammenschlüssen konzeptionell betreut, organisiert, genutzt und zur jeweils festgelegten Rahmenbedingungen zur Verfügung gestellt. Wesentliche Bausteine des Konzepts sind niedrigschwelliger Zugang und Teilhabe für alle sowie Durchmischung unterschiedlicher Professionalisierungsgrade.
„Moloch“ und „Alte Bahnmeisterei“ (ABM): Ursprünglich waren Moloch und ABM am Oberhafen Ausweichflächen für die Fabrique, während diese saniert wurde. Die Flächen wurden über die Kreativagentur Hamburg vermittelt und vom Gängeviertel e.V. angemietet. Aufgrund von massivem Umbaubedarf und Nutzungsänderungsanträgen für die Veranstaltungsfläche konnte der jedoch erst nach der Wiedereröffnung der Fabrique eröffnet werden, die Laufzeit ist bis Ende 2016 geplant. Die ABM und ein Lager sind inzwischen nicht mehr durch den Verein angemietet. Einige der Nutzer sind dort geblieben, wie z.B. die „Filmfabrique“. Diese Gruppierung ist in der Zwischenzeit gewachsen und hat sich professionalisiert, wodurch der Raumbedarf gestiegen ist. Andere haben ihre Arbeitsräume im Oberhafen angesiedelt, weil die dortigen Räumlichkeiten für Werkstätten sehr viel geeigneter sind als die Keller oder Wohngebäude des Gängeviertels. Manche präferieren auch eine räumlichen Trennung von Wohnen und Arbeiten. Andere genießen die Konzentration der abgeschiedenen Lage.
Alle Gebäude waren bzw. sind in schlechtem bis sehr schlechtem Zustand. Es gab bzw. gibt defekte Dächer, Schwamm, Braunfäule-Befall und keinen Anschluss an Wärmeversorgung, daher wird mit Ausnahme der drei sanierten Gebäude per Sondergenehmigung mit Holzöfen oder Stromradiatoren geheizt. Einige Häuser sind aufgrund schlechter Statik mit Notabstützungen durchgesteift.
Folgende Prozessbeteiligte gab es bei der Sanierung:
Die Sanierung wird bislang durch die Freie und Hansestadt Hamburg finanziert, die Finanzierung ergänzt sich u.a. durch die Städtebauförderung des Bundes, RISE-Mittel, EFRE-Gelder und eine Förderung der Stiftung Denkmalpflege. Ein Teil ist frei finanziert.
Das Gebäudeensemble ist größtenteils umgeben von Bürogebäuden. Zur einen Seite ist es durch Straßen vom angrenzenden Stadtteil Neustadt getrennt, zur anderen grenzt es an die Innenstadt, die nahezu unbewohnt ist. So fühlt es sich oft wie ein geschlossenes System an.
Zu den wenigen Nachbarn und Altmietern besteht größtenteils ein freundschaftliches Verhältnis. Allerdings sind Lärmemissionen und Belästigung durch Menschen, Musik und Maschinen von Anbeginn ein relevantes und immer wiederkehrendes Problem. Es gibt ein Nachbarschaftstelefon und gelegentliche Nachbarschaftstreffen, die jedoch nie wirklich konstant angeboten wurden.
Insbesondere in den Anfangsjahren gab es viel Kontakt zu Zeitzeugen, die in diesem oder einem angrenzenden Quartier geboren wurden und hier gelebt haben oder deren Eltern hier Gewerbetreibende waren. Viele von ihnen haben Fotos mitgebracht oder um welche gebeten. Diese Gruppe hat sich inzwischen etabliert, trifft sich regelmäßig monatlich und trägt Berichte zusammen, die auch publiziert werden sollen.
Zusammenarbeit mit den Kulturschulen Hamburg: Immer wieder werden im Rahmen der Kunsterziehung Unterrichtseinheiten im Gängeviertel angeboten.
Die Künstlerin Hannah Kowalski aus dem Gängeviertel ist gemeinsam mit der Klasse 3c der benachbarten Rudolf Ross Grundschule der Frage nachgegangen: „Wer entscheidet eigentlich, wie die Stadt gestaltet wird?“
Nach eingehender Feldforschung und einem Nachbarschafts-Sahnetortenfest haben die Schüler die Freiflächen im Gängeviertel nach ihren Vorstellungen geplant.
Der Sanierungsbeirat ist ein ehrenamtliches Gremium, das Sanierungsgebiete in Hamburg begleitet und berät. Im Falle des Gängeviertels liegt der Fokus auf der Umsetzung des „Integrierten Entwicklungskonzeptes“. Informationen und Fragen zu den anstehenden Baumaßnahmen werden ausgetauscht, um Transparenz über den Sanierungsprozess zu schaffen. Im Sanierungsbeirat Gängeviertel können auch mögliche Probleme mit den Baustellen, Nachbarschaftsbelange bzw. Zielkonflikte angesprochen werden. Zudem entscheidet der Sanierungsbeirat auch über Anträge an den Verfügungsfonds, einen Stadtteiltopf zur Finanzierung kleinerer Projekte.
Buchtipp: „Mehr als ein Viertel“, Hg. Gängeviertel e.V., erschienen bei Assoziation A