Ein Beitrag von Claudia Bosseler.
 
Dieser Text erschien zuerst Mai 2022 im Immovielien-Heft 2. Das gesamte Heft ist hier digital abrufbar oder über die Koordinierungsstelle als Printversion erhältlich.
 
Das Projekt Branderhof verbindet die Elemente Stadtmacher*innen, bürgerschaftliches Engagement und gemeinschaftliche Wohnprojekte. Als Bottom-up-Projekt entstanden, ist die Entwicklung ein kooperativer Prozess zwischen engagierten Bürger*innen im Verein Branderhof, interessierten Baugruppen, einer Kita als Elterninitiative und der Stadt Aachen. Unterstützt wurde das bürgerliche Projekt vom Büro startklar im Rahmen des Förderprogramms „Initiative ergreifen“ des Landes NRW.
 
Status quo zu kooperativen Projekten in Aachen
 
Aachen ist bei gemeinschaftlichen Wohnprojekten noch nicht aufgestellt wie Tübingen oder Hamburg, wo Flächenvergabe, Beratung und Förderung für Baugemeinschaften Teil der Wohnbauentwicklung sind. Dort konnte das Thema gemeinschaftliche Wohnprojekte in Kombination mit der Vermarktung von verfügbaren Flächen mittels Konzeptverfahren an Baugruppen zu einem gefragten, attraktiven und gemeinwohlorientierten Segment im Wohnungsbau werden. In Aachen gibt es seit vielen Jahren eine Kontaktstelle für Interessierte im Fachbereich Wohnen, Soziales und Integration, so dass bereits acht Einzelprojekte in verschiedenen Rechtsformen in Aachen entstehen konnten. Allerdings ist gemeinschaftliches Wohnen lange ein Nischenthema gewesen. Es fehlte bisher eine strategische Ausrichtung des wohnungspolitischen Handelns zum gemeinschaftlichen Bauen und Wohnen. Der Branderhof ist Aachens erstes „Experimentierfeld“ eines gemeinschaftlich gestalteten Wohnquartiers mit mehreren Baugruppen, verbunden mit einem bürgerschaftlichen Nachbarschaftsprojekt.
 
In den letzten Jahren gewinnt die Aachener „Immovielien-Landschaft“ mit dem Quartiersprojekt Branderhof, verschiedenen gemeinschaftlichen Wohnprojekten und dem innerstädtischen Projekt „Büchel“ an Dynamik. Neue Prozesse mit neuen Akteuren werden erprobt und Instrumente, wie die Konzeptverfahren, werden eingeführt. Im Rahmen des Handlungskonzepts Wohnen, das aktuell entwickelt wird, werden strategische Instrumente für ein nachhaltiges, bezahlbares Wohnen in Aachen aufgestellt. Einer der Bausteine ist die Neuausrichtung der kommunalen Koordinations- und Beratungsstelle „Bauen und Wohnen in Gemeinschaft“. In den letzten Jahren wurden in der Koppelung von Beratung mit der Vergabe von Grundstücken an gemeinschaftliche, gemeinwohlorientierte Projekte besonders wirkungsvolle Effekte sichtbar: Sie zeigten sich durch eine Zunahme an gemeinschaftlichen Wohnprojekten sowie durch einen Maßstabssprung der Projekte, wie im Quartiersprojekt Branderhof mit mehreren Baugruppen in einem Gebiet. Wenn die Stadt Aachen diese Möglichkeiten für innovative Projekte auf städtischen Flächen bietet, müssen die Projekte einen Beitrag zu den Bedarfslagen der Stadt liefern, indem sie bezahlbaren, geförderten und inklusiven Wohnraum schaffen. Dass gemeinschaftliche Wohnprojekte dazu in der Lage sind und sich mit diesen Zielen identifizieren, zeigt beispielsweise das genossenschaftliche Projekt „Miteinander im Wiesental“ mit 40 Prozent gefördertem Wohnungsbau.
 
Quartiersprojekt Branderhof: Idee und Entstehung
 
Der Branderhof in Aachen ist ein vielschichtiges, kooperatives Quartiers- und Nachbarschaftsprojekt mit verschiedenen Gruppen von Nutzer*innen und Entwickler*innen. Der Aufbau ähnelt einer Zwiebel, bestehend aus unterschiedlichen Schichten: ausgehend vom Kern mit dem ehemaligen Gutshof „Gut! Branderhof“ als Nachbarschafts- und Begegnungszentrum und bürgerschaftliches Projekt, ergänzt durch eine Kita und umringt von mehreren gemeinschaftlichen Wohnprojekten. Die Verbindung erfolgt über die Mitgliedschaft und Mitwirkung im Verein Branderhof. Die äußerste Schicht ist das umliegende Quartier, das durch soziale und demographische Effekte, das nachbarschaftliche Engagement und den Austausch zwischen den Bewohner*innen mit dem Projekt verknüpft ist.
 
Die Projektidee entstand bereits 2015 mit der Aufgabe des Reiterhofes, als der Verkauf des städtischen Geländes im Raum stand. Durch die prägende Gestalt des denkmalgeschützten Hofes wird dieser Ort als identitätsstiftend im Quartier empfunden. Die Sorge vor einer renditeorientierten Vermarktung und dem Verlust des Quartiersmittelpunktes ließ in einer Gruppe engagierter Bürger*innen die Idee eines Nachbarschaftszentrums mit umliegenden gemeinschaftlichen Wohnprojekten aufkommen. Dieses Vorhaben stieß bei der Verwaltung der Stadt Aachen auf offene Ohren. Mit Unterstützung der Beratung im Rahmen der Förderung „Initiative ergreifen“ konnte die Idee weiter ausgebaut werden und durch die Fördermöglichkeit eine Realisierungschance erhalten. Kennzeichnend ist der soziodemographische Quartiersansatz des Projektes, der einen Mittelpunkt im Quartiersleben schaffen will und durch die Verbindung mit den gemeinschaftlichen Wohn- projekten eine langfristige Verankerung und Tragfähigkeit in der nachhaltigen Umsetzung finden kann.
 
Bausteine der Entwicklung
 
Erster Baustein war der Umbau der denkmalgeschützten Doppelscheune des Hofes in eine Kita durch einen Investor. Die Entwicklung der weiteren Bausteine war ein durchaus aufwendigerer partizipativer Prozess. In einem Beratungs- und Befähigungsprozess wurde der Verein Branderhof bei der Erstellung eines Betriebskonzeptes und der Planung zum Umbau des denkmalgeschützten Gutshofes begleitet. Gleichzeitig wurde ein städtebaulicher Entwurf für die umliegenden Hofflächen in einem Beteiligungsformat mit interessierten Baugruppen entwickelt. Schon in dieser frühen Phase der Beteiligung von Interessierten entstand die Idee der „Siedlungsgemein- schaft“: Dieser Verbund der verschiedenen Baugruppen soll Themen wie Freiraumnutzung und -gestaltung, Mobilität und Energie sowie geförderten Wohnungsbau gemeinsam gestalten, um Synergien zu generieren. Dadurch erhalten einzelne Gruppen mehr Flexibilität und die Möglichkeit unterschiedlicher Schwerpunktsetzungen.
 
Der denkmalgeschützte Hof soll wieder ein aktiver Treffpunkt der Nachbarschaft mit einem vielfältigen sozialen und kulturellen Angebot werden, was sich bereits im Testbetrieb vor der Sanierung zeigt. Nach dem Umbau entstehen neue Nutzungsmöglichkeiten wie ein Quartierswohnzimmer, ein Quartiersbüro, eine Werkstatt, ein Repaircafé sowie ein Veranstaltungsraum.
 
Außerdem soll der Innenhof vielfältig genutzt werden. Die Umbauarbeiten am Hof sollen über Fördergelder finanziert werden, der Neubau der Wohnprojekte wird durch die Gruppen getragen. Im Rahmen der Städtebauförderung war die Erstellung eines integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK) erforderlich, um die Projekte zielgerichtet in die Bedarfslagen des Quartiers unter Berücksichtigung der soziodemographischen Herausforderungen einzubinden.
 
Kooperative Projektentwicklung
 
Der Entwicklungshistorie muss man zugutehalten, dass es keinen vorab geplanten Entwicklungsprozess gab. Ausgehend von der Projektidee wurde in Kooperation mit allen beteiligten Akteur*innen schrittweise ein Weg der Umsetzung gesucht. Das erforderte die nötige Offenheit aller Beteiligten und stellte für alle Akteur*innen eine Herausforderung dar: Die Verwaltung musste gewohnte Verfahren verlassen und Experimente wagen. Die zivilgesellschaftlichen Akteur*innen profitierten zwar von besonderen Chancen einer Pionierrolle, konnten aber keinen klaren, sicheren Weg zum Ziel vorfinden und mussten viel Engagement und Durchhaltevermögen mitbringen. Die Entwicklung des städtebaulichen Entwurfes hat aufgrund der Bottom-up-Entwicklung eine längere Wegstrecke bis zu dem nun vorliegenden Entwurf für den Bebauungsplan hinter sich.
 
Die kooperative Entwicklung des städtebaulichen Entwurfes startete mit Ideenwerkstätten, in denen erste Entwurfsvarianten mit interessierten Baugruppen entwickelt wurden. Im weiteren Prozess musste der Entwurf sich an viele Faktoren, wie beispielsweise Anforderungen des Denkmalschutzes, kompakte Bauweise, verändernden Gruppenanzahl und -größe, anpassen. In diesem Prozess sind die fünf Baugruppen zu einer übergreifenden Siedlungsgemeinschaft zusammengewachsen und haben ein gemeinsames Trägerkonzept entwickelt. Eine beispielhafte Herausforderung für die Baugruppen der Siedlungsgemeinschaft war, die Verteilung der Grundstücke gemeinsam untereinander zu lösen. Das gelang in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Jankowski Bürgener und mündete in dem städtebaulichen Entwurf als Grundlage für den Bebauungsplan.
 
Aufgrund der besonderen Synergieeffekte, dem maßgeschneiderten Konzept und den für den Ort passenden Akteuren wurde von dem ursprünglich vorgesehenen Konzeptverfahren abgewichen. Da sich die beteiligten Akteure lange und aufwendig in den Planungsprozess eingebracht hatten, wird eine Direktvergabe mit Konzeptanforderungen durchgeführt. Der Mehrwert eines langen und intensiven Prozesses und das Nutzen der Synergieeffekte ersetzten dabei den für Konzeptverfahren üblichen „Qualifizierungseffekt“ des offenen Ideenwettbewerbs. Außerdem werden im Prozess immer wieder Meilensteine zum Qualitätscheck eingebaut, wie beispielsweise die Einreichung von Konzeptbeschreibungen für die Anhandgabe des Grundstücks.
 
Auf den Flächen rund um den Branderhof planen fünf Baugruppen in unterschiedlichen Rechtsformen von Mietwohnprojekt über Wohnungseigentümergemeinschaft bis hin zur Genossenschaft ihre gemeinschaftlichen Wohnprojekte. Sie alle verbindet die Idee eines übergeordneten Zusammenschlusses in einer „Siedlungsgemeinschaft“ zur Nutzung von Synergien. Dazu haben Sie eine GbR gebildet, die sich beispielsweise der Gestaltung einer gemeinschaftlichen Freifläche, der Energieversorgung und dem Mobilitätskonzept mit einer gemeinsamen Tiefgarage widmet. Da aufgrund der unterschiedlichen Rechtsformen nicht alle Projekte den geförderten Wohnungsbau im Umfang von 40 Prozent der Wohnfläche erstellen können, gibt es hier einen Spielraum durch eine gemeinsame Lösung. Die Quote kann gebietsübergreifend erfüllt werden, jedoch soll ein Anteil von mindestens 20 Prozent öffentlich-geförderten Wohnraums pro Haus umgesetzt werden. Ziel ist eine heterogene, gemischte Bewohnerschaft in verschiedenen Alters- und Einkommensgruppen.
 
Fazit
 
Eine Kooperation zwischen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und Kommune ist eine Herausforderung, ein Lernprozess und ein Wechselspiel von fördern und fordern. Für den Erfolg braucht es außerdem die Begeisterung für die Idee, den Glauben an die Qualität des Projektes sowie eine Wertschät- zung für den Prozess. Wichtige Faktoren zum Gelingen eines solchen Prozesses zwischen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und Kommune sind eine gute Kommunikation auf Augenhöhe sowie eine professionelle Organisation und ein Verständnis für Verwaltungshandeln seitens der bürgerschaftlichen Akteur*innen. Im Planungsprozess des Quartiersprojektes Branderhof hat sich die fachliche Unterstützung der Baugruppen und Siedlungsgemeinschaft durch eine Projektberatung sowie die Begleitung der Vereinsarbeit durch das Büro „startklar“ ausgezahlt.
Nach diesen Projekterfahrungen können Elemente einer Kooperation zwischen Kommunen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen durch einige zentrale Bausteine hergestellt werden:
 
Bei der Kommune:
• Anbieten von Beteiligungsprozessen
• Kommunikations- und Beratungsleistungen durch eine kommunale Koordinationsstelle
• Beratung für die zivilgesellschaftlichen Akteure ermöglichen
• kooperative fachbereichsübergreifende Zusammenarbeit in der Verwaltung
 
Bei zivilgesellschaftlichen Akteur*innen:
• Annehmen der Beratungsangebote
• Investition in ergänzende Beratung und Expertise, beispielsweise für die Projektsteuerung und erste Planungschritte
• Professionalisierung der Organisation und Kommunikation.
 
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Weitere Informationen zum Projekt Branderhof finden sich hier.
 
Das Immovielien-Heft 2: Hier online abrufbar oder als Printversion auf Anfrage (kontakt@netzwerk-immovielien.de). Ein Interview mit Lena Heiß und Caroline Rosenthal.
 
Dieser Text erschien zuerst Mai 2022 im Immovielien-Heft 2. Das gesamte Heft ist hier digital abrufbar oder über die Koordinierungsstelle als Printversion erhältlich.
 
Die Digitalisierung bietet immense Chancen, um dem Ziel der gleichwertigen Lebensverhältnisse in Stadt und Land in Zukunft näherzukommen und stellt uns gleichzeitig vor große Herausforderungen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) haben daher das Förderprogramm „Heimat 2.0“ initiiert, um die Potenziale digitaler Lösungsansätzeauszuloten.
Wir sprachen mit Lena Heiß vom Netzwerk Zukunftsorte und Caroline Rosenthal, Beirätin im Netzwerk Immovielien, die in diesem Rahmen mit der Kommune Angermünde in einem Projekt zusammenarbeiten.
 
 
Matthias Braun: Das Netzwerk Zukunftsorte hat sich im Jahr 2020 gegründet. Wo bestehen die Zusammenhänge mit dem Netzwerk Immovielien und was ist der Fokus eurer Arbeit, Lena?
 
LH: Die ersten sogenannten „Zukunftsorte“ in Brandenburg hatten von Anfang an gemeinsame Wurzeln mit anderen Aktiven im Netzwerk Immovielien, zum Beispiel der Stiftung trias beim Hof Prädikow. Uns ist es wichtig, das digitale und kulturelle Arbeiten mit dem bewussten Leben außerhalb der Städte zusammenzudenken. Das Ziel ist unter anderem die Umnutzung möglichst vieler ländlicher Leerstände und Brachflächen zu gemeinwohlorientierten Wohn- und Arbeitsorten, welche neue Möglichkeiten auch für die lokale Bevölkerung bedeuten. Unsere Zukunftsorte sind also gleichzeitig auch Immovielien. Hinter unserer Arbeit steckt außerdem ein gewisser politischer Anspruch und wir setzen auf die Zusammenarbeit mit kommunalen Partner*innen z.B. auch aus der Wirtschaftsförderung. Wir haben da schon einen längeren Weg hinter uns, können mit dem neuen Förderprojekt aber noch mal sichtbarer werden.
 
MB: Ganz konkret arbeiten die beiden Netzwerke jetzt mit der Kommune Angermünde in einem Projekt zusammen. Könnt ihr das kurz vorstellen?
 
LH: Wir haben uns gemeinsam mit der Stadt Angermünde auf das Förderprogramm „Heimat 2.0“ des BMI und BBSR beworben. Im Modellprojekt Leerstandsmatching – Teil unseres Förderprojekts Wissensplattform – unterstützen wir die Stadt Angermünde bestmöglich dabei, ungenutzte Immobilien und Leerstand zu attraktiven Wohn- und Arbeitsorten zu entwickeln. Dazu wird der kommunale Prozess für die Ansiedlung von Zukunftsorten exemplarisch erarbeitet. Von der Ermittlung von Potenzialräumen über die Information über Konzeptvergabeverfahren bis zum konkreten “Matching” zwischen Gebäuden und engagierten Akteur*innen. Die Ergebnisse sollen über eine digitale Wissensplattform auch mit anderen Kommunen geteilt werden. Zusätzlich sollen mit der Plattform bestehende und neue Zukunftsort-Projekte bei Aufbau und Betrieb ihrer Wohn- und Gewerbeprojekte unterstützt werden. Das Projekt läuft bis Oktober 2023, also über knapp vier Jahre.
 
CR: Das Netzwerk Immovielien ist als dritter Partner von Anfang an mit dabei und unterstützt bei der inhaltlichen Arbeit. Da können wir mit der breiten Expertise im Bereich gemeinwohlorientierte Stadt- und Immobilienentwicklung aus unserem Netzwerk beitragen. Ich arbeite konkret seit letztem Jahr vor Ort in Angermünde bei Workshops mit und agiere als eine Art Bindeglied zwischen beiden Netzwerken. Das passt für mich gut, weil ich selbst seit zwei Jahren in Brandenburg lebe und so neben meinem Job beim Berliner Genossenschaftsforum weiterhin für das Netzwerk Immovielien aktiv sein kann.
 
MB: Was genau habt ihr in Angermünde gemacht? Dürfen wir 2023 die Eröffnung von zwei neuen Immovielien feiern?
 
LH: Das scheint so ein bisschen die Erwartung von allen Seiten zu sein. Aber da müssen wir natürlich dämpfen. Richtig gute gemeinschaftliche Projekte von oben zu initiieren ist schwer. Die Kommunen können natürlich nicht erwarten, dass Gruppen aus Leerständen, die bisher sonst keiner wollte, im ersten Anlauf wirtschaftlich funktionierende Vorzeigeprojekte machen. Wir sind in diesem Jahr zunächst mit einer Weiterbildung in Sachen nachhaltige Liegenschaftspolitik gestartet. Caroline und Mona Gennies haben mit uns einen tollen Workshop zu Konzeptverfahren und Co. gemacht. Viele der Leerstände in Angermünde sind aber gar nicht in städtischer Hand. Das heißt, dass wir die Kommune unterstützen auf private Eigentümer*innen zuzugehen und gemeinsam zu schauen, was bei den jeweiligen Immobilien möglich ist. Im Idealfall werden wir dann bald auch Gruppen und gemeinwohlorientierten Entwickler*innen ein Angebot machen können.
 
CR: Der Workshop zu Konzeptverfahren war auch für andere Kommunen offen und wird sowohl beim Netzwerk Zukunftsorte als auch beim Netzwerk Immovielien aktiv nachgefragt. Mona hat mit ihrer vergleichenden Forschung aus dem Studium, den Erfahrungen aus dem Bundesweiten Austausch Konzeptverfahren und diversen laufenden Prozessen eine super Übersicht geben können. Für mich stellt sich jetzt die Frage, wie wir dieses Wissen möglichst breit streuen können. Meine Erfahrung sagt, das muss durch Menschen vermittelt werden. Eine digitale Platt- form, und sei sie noch so gut, wird da nicht ausreichen.
 
 
Weiterführende Links:
 
Netzwerk Zukunftsorte: www.zukunftsorte.land
 
Wissensplattform: www.zukunftsorte.land/wissensplattform
 
Heimat 2.0 / Angermünde: www.angermuende.de/heimat-2-0
 
Netzwerk Zukunftsorte (2022): ÜBER MORGEN. Vom Leerstand zum Zukunftsort: Potentiale und Werkzeuge der gemeinwohlorientierten Leerstandsentwicklung auf dem Land. Download unter www.zukunftsorte.land/uebermorgen
 
Gennies, M. (2021): Konzept- verfahren als Instrument einer gemeinwohlorien- tierten Stadtentwicklung. Download unter www.verlag.tu-berlin.de/autoren/mona-gennies
 
Das Immovielien-Heft 2: Hier online abrufbar oder als Printversion auf Anfrage (kontakt@netzwerk-immovielien.de). Ein Beitrag von Konrad Braun und Leona Lynen.
 
Dieser Text erschien zuerst Mai 2022 im Immovielien-Heft 2. Das gesamte Heft ist hier digital abrufbar oder über die Koordinierungsstelle als Printversion erhältlich.
 
Neue Formen der Ko-Produzierten Stadt
Das Haus der Statistik, in unmittelbarer Nähe zum Berliner Alexanderplatz gelegen, bietet die Möglichkeit, die Forderungen nach einer gemeinwohlorientierten und kooperativen Entwicklung unserer Städte modellhaft umzusetzen. Über zehn Jahre stand der 50.000 m2 große Gebäudekomplex mitten in Berlin leer. Infolge öffentlichkeitswirksamer Aktionen der Initiative Haus der Statistik, einer Gruppe engagierter Künstler*innen, Architekt*innen, Kulturschaffender und Politiker*innen, wurden 2015 die bisherigen Pläne für den Verkauf an Investoren und der geplante Abriss verhindert.
 
Die Forderung aus der Zivilgesellschaft, das Haus der Statistik als Gemeingut zu sichern, wurde schließlich von Verwaltung und Politik aufgenommen. Das stete Engagement und Aufzeigen von Möglichkeiten durch unentgeltlich durchgeführte Machbarkeitsstudien seitens der Initiative traf auf Raumbedarfe seitens der wachsenden Berliner Verwaltung. Statt beide Nutzungskonzepte – Raum für Kunst, Kultur, Soziales und bezahlbares Wohnen versus Verwaltungsnutzungen – gegeneinander auszuspielen, entschied sich die neue Regierung 2017 dazu, das Areal von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben zu erwerben und in eine gemeinsame Projektentwicklung mit dem zivilgesellschaftlichen Partner zu überführen. Die Kerngruppe der Initiative hatte sich inzwischen als Genossenschaft organisiert und konnte dadurch als Akteur rechts- und handlungsfähig werden.
 
Neue Formen der Kooperation
 
Durch den Erwerb durch das Land Berlin wurde der Weg frei für eine gemeinwohlorientierte Entwicklung des Quartiers. Damit wurde der Grundstein für die Zusammenarbeit von fünf Kooperationspartner*innen gelegt, die seither in gemeinsamer Verantwortung für das gesamte Areal tätig sind: Die sogenannte „Koop5“ besteht aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, dem Bezirksamt Berlin-Mitte, den landeseigenen Gesellschaften WBM Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte mbH und BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH, sowie der ZUsammenKUNFT Berlin eG (ZKB) als legitime Vertreterin der Initiative Haus der Statistik. Hier entsteht ein Fundament, auf dem zivilgesellschaftliches Wissen und Engagement mit der Expertise der kommunalen Immobilienwirtschaft und Handlungsspielräumen der Verwaltung zusammengeführt werden.
 
Rechtliche Grundlage für die Entwicklung des Quartiers bildet ein Bebauungsplanverfahren, das auf den Ergebnissen eines integrierten Werkstattverfahrens fußt. Von September 2018 bis Februar 2019 erarbeiteten drei Planungsgemeinschaften städtebauliche Entwürfe, von denen der gemeinsame Entwurf der Planergemeinschaft Teleinternetcafe und Treibhaus Landschaftsarchitektur als Gewinner hervorging.
 
Aneignung und Planung durch Zivilgesellschaft
 
Seit Sommer 2019 werden im Rahmen der sogenannten Pioniernutzung ausgewählte Erdgeschossflächen der Bestandsgebäude an Akteur*innen aus den Bereichen Kunst, Kultur, Bildung, Soziales und Nachbarschaft vergeben. Diese Pioniernutzungen erproben während der Bau- und Planungsphase der nächsten Jahre prozesshaft und prototypisch, was sich später langfristig im Quartier etablieren soll. Im Hinblick auf eine langfristig nachhaltige Quartiersentwicklung können so bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Planungsphase beispielsweise flexible Betriebsmodelle und Nutzungssynergien getestet werden. Als lernender Prozess verzahnen die Pioniernutzungen kontinuierlich die Projektentwicklung mit der breiten Mitwirkung der Stadtgesellschaft und der Perspektive der Nutzer*innen. Damit bilden sie einen zentralen Baustein der kooperativen Quartiersentwicklung, in deren Rahmen sowohl langfristige Nutzungscluster, transparente Organisations- und Vergabestrukturen, als auch eine öffentlich wirksame Mitwirkung aufgebaut und kontinuierlich weiterentwickelt werden.
 
Langfristig zu planen heißt nachhaltig zu bauen
 
Spätestens seit dem Pariser Abkommen 2015 ist klar, dass nachhaltiger gewirtschaftet werden muss. Der Gebäudesektor erzeugt in Deutschland 14 Prozent der gesamten CO2-Emissionen. Mit den Emissionen, die durch die Herstellung von Strom, Fernwärme und Baustoffen entstehen, liegt er sogar bei 28%. Mithilfe von zirkulären und ressourcenschonenden Bauen können wir diesen ökologischen Fußabdruck verringern.
 
Es gilt, den Planungsprozess rund um das Haus der Statistik so zu gestalten, dass die vor Ort vorhandenen Materialien & Bauteile als wiederverwendete oder verwertete Komponenten mitgedacht und baulich integriert werden. Darüber hinaus soll bei den Materialien oder Ressourcen, die nicht in einen zweiten Lebenszyklus eingegliedert werden, auf die nachhaltige Beschaffung geachtet werden. Faktoren wie Herkunft, Regionalität und Qualität müssen bei der Auswahl von neu zu beschaffenden Bau- und Rohstoffen beachtet und geprüft werden. Nicht nur was, sondern auch wie wir bauen, ist für die Initiative eine entscheidende Frage. Dabei geht es darum, das Quartier auf zukünftige Nutzungsänderungen vorzubereiten und eine klimafreundliche Konstruktion mit der Verwendung ökologischer und gesunder Baustoffe zu verbinden.
 
Das Thema Nachhaltigkeit ist schon jetzt ein grundlegender Bestandteil der Arbeit durch die Pioniernutzer*innen. Das 2019 gegründete Haus der Materialisierung umfasst zahlreiche Angebote in den Bereichen des Sharing, Re-Use, Repairing und Upcycling und wird Rahmen des Berliner Energie- und Kli- maschutzprogramms 2030 von der Koop5, der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert. Eine Beteiligung der Pioniernutzer*innen beim Ausbau der Flächen stellt einen Gewinn für die nachhaltige Planung dar und kann auf die Expertise und die tatkräftige Unterstützung der Nutzer*innen zurückgreifen.
 
Neue Formen gemeinschaftlicher Verantwortung für öffentliche Ressourcen
 
In der Regel haben zivilgesellschaftliche Initiativen, Stadtgesellschaft und Nachbarschaften wenig Einflussmöglichkeiten auf den Geschäftsbetrieb und strategische Entscheidungen innerhalb landeseigener Unternehmen, die für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, Gewerbe und Sozio-Kultur zuständig sind. Maximal kann hier über beigeordnete Beiräte wie (z.B. Mieterbeiräte) “mitgewirkt” werden. “Eine öffentliche Beteiligung in Stadtentwicklungsprozessen sollte alle städtischen Akteure einbeziehen. Es gilt, neue Formen der Beteiligung zu unterstützen und zu verbessern. Dazu zählen die Koproduktion sowie gemeinschaftlichen Gestaltungsprozesse.”(- Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung 2021)
 
Um eine ernsthafte partnerschaftliche Kooperation zwischen Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und gemeinwohlorientierter Immobilienwirtschaft zu erreichen, bedarf es in Zukunft vielfältiger Rahmenbedingungen: Vertrauen gegenüber zivilgesellschaftlich getragenen Stadtentwicklungsprojekten, langfristig wirtschaftliche Autonomie, die Möglichkeit und den Willen zur Selbstverwaltung, eine ermöglichende Anwendung des Haushalts-, Vergabe- und Wettbewerbsrechts sowie eine konsequente Einbindung aller Partner*innen in die politischen Entscheidungsprozesse über öffentliche Ressourcen im Bereich der gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung. (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung 2020)
 
Die komplexe Quartiersentwicklung erfordert daher ein hohes Maß an Engagement von allen Beteiligten. Mit der sogenannten Bedarfsplanung wurde durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ein Weg gefunden, wie die planerische Arbeit des zivilgesellschaftlichen Partners ZUsammenKUNFT Berlin eG honoriert werden kann. Die Bedarfsplanung umfasst die einzelnen Bausteine aus dem Nutzungsprogramm der Initiative Haus der Statistik, sowie die Erarbeitung von Trägermodellen für den Bau und Betrieb dieser Flächen sowie der gemeinschaftlich genutzten Freiflächen im Quartier.
 
Für die langfristige Sicherung der Flächen und die dauerhafte Bezahlbarkeit strebt die ZKB eG eine Public-Civic-Partnership an: Ein Modell der Selbstverwaltung in partnerschaftlicher Kooperation und mit hoher Entscheidungskompetenz bei den Nutzer*innen. Zivilgesellschaftliche Akteure werden als Beteiligte direkt in die Bewirtschaftung öffentlicher Liegenschaften eingebunden und übernehmen Verantwortung in den Gremien und Organen.
 
Die angestrebte Public-Civic-Partnership besteht aus folgenden Bausteinen:
 
• gemeinnützige Stiftung im Projektverbund
• mit einer Bauherren gGmbH und Betriebs-Genossenschaften
• einer Quartiers-Genossenschaft für den Betrieb bzw. Kuratierung der EG-Zonen und Freiräume
• und ein Verein aller Nutzer*innen zur Mitwirkung im Quartiers-Gremium und der Quartiers-Genossenschaft
 
Das Land Berlin und ggf. ihre Unternehmen sollen eine geteilte Wächterfunktion über die zukünftige Verwendung der Grundstücke und Flächen der Initiative in einer neu zu gründenden Gemeinwohl-Stiftung Stadt übernehmen. Diese könnte als Wächterin auch an anderen Standorten zum Einsatz kommen. Um soziokulturelle Flächen und inklusive experimentelle Wohnflächen zu realisieren, werden zwei Betriebsgenossenschaften in Zusammenarbeit mit einer gemeinnützigen Bauträger-GmbH gegründet. Letztere soll auch an anderen Standorten in Verknüpfung mit der Wächterstiftung zum Einsatz kommen.
 
Dauerhafte Sicherung nutzergetragener und gemeinwohlorientierter Stadtentwicklung
 
Für die Flächen im Bestand (Haus A und EG Zonen) wird von der ZKB eG gefordert, ein entsprechendes Untererbbaurecht (99 Jahre) und für die Flächen im Neubau das gängige Erbbaurecht (99 Jahre) an einen zu gründenden Träger entweder in Direktvergabe oder per Konzeptvergabe zu übertragen. Im Gegenzug würde sich der von der Initiative gegründete Träger für die gesamte Laufzeit des Erbbaurechts verpflichten, bezahlbare Mieten und Belegungsbindungen für sozio-kulturelle Nutzungen nachhaltig zu sichern. Über eine Mietspreizung können zukünftige Nutzungen mit sehr geringer wirtschaftlicher Potenz aber erheblichem Mehrwert für die Quartiersentwicklung aktiver Bestandteil des Public-Civic-Partnerships werden.
 
Für den (Aus-)Bau der Initiativflächen wird der Einsatz von „zivilem“ Eigenkapital, die Einwerbung von investiven Objektförderungen über Mittel der EU, Bund oder Land und Fremdkapital von ethischen Banken angestrebt. Im Betrieb soll die wirtschaftliche, finanzielle und operative Verantwortung mit Belegungsrechten und -pflichten über eigene, kooperative Trägermodelle mit klarer Fixierung von gemeinwohlorientierten Nutzungen in Erbbaurechtsverträgen gesichert werden.
 
Ein grundlegende Herausforderung für die langfristige Bezahlbarkeit aller Initiativflächen liegt im Umgang mit sehr hohen Verkehrswerten der Grundstücke. Um die Wirtschaftlichkeit der Nutzungen im Betrieb gewährleisten zu können, gibt es folgende Möglichkeiten:
 
1. Gestaltung Verkehrswert durch Definition planungsrechtlicher Rahmenbedingungen, Wertminderung durch dauerhafte Nutzungs-, Belegungs- und Mietpreisbindung
 
2. Abweichung von geltenden Erbbauzinssätzen im Rahmen der Landes- haushaltsordnung, Begründung besonderes Interesse Land Berlin
 
3. residuale Ermittlung der Erbbauzinsen bzw. Verkehrswert Grundstück gemessen an zu erwartenden Mieteinnahmen in gemeinwohlorientierter Immobilienentwicklung, bedarfsgerechte Miethöhe für sozio-kulturelle Nutzungen und Wohnen
 
Die Initiative Haus der Statistik und die ZUsammenKUNFT Berlin eG blickt optimistisch in die Zukunft, aber ohne die Unterstützung von Politik und Verwaltung durch die Ausnutzung von Ermessensspielräumen in der Entwicklung und Vergabe von Grundstücken wird der Modellcharakter des Projektes auf Dauer nicht zu halten sein. Deshalb können die Hinweise auf das Projekt Haus der Statistik und die Bereitschaft für eine kooperative Stadtentwicklung im aktuellen Koalitionsvertrag des Rot-Grün-Roten Senats positiv in die Zukunft blicken lassen. Wie dieses Thema von der frisch berufenen Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt im Konzert der Stadtentwicklungspolitik umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.
 
 
Weiterführende Links:
 
Website des „Haus der Statistik“: www.hausderstatistik.org
 
Über den vielfältigen Prozess am Haus der Statistik hat die ZUsammenKUNFT Berlin eG mittlerweile drei lesenswerte Broschüren veröffentlicht, die auf Deutsch und Englisch verfügbar und online abrufbar sind:
 
Quellen:
 
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hg.) (2020): Glossar zur gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung. Bonn.
 
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hg.) (2021): Neue Leipzig-Charta. Die transformative Kraft der Städte für das Gemeinwohl. Bonn.
 
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Das Immovielien-Heft 2: Hier online abrufbar oder als Printversion auf Anfrage (kontakt@netzwerk-immovielien.de). Das zweite Immovielien-Heft beleuchtet Strukturen und Prozesse, die das Mehr an Gemeinwohl rund um Immovielien erst ermöglichen. Gespräche mit politischen Akteur*innen, umfassende Berichte der Forschenden aus dem Netzwerk und Einblicke in verschiedene Immovielien-Projekte zeigen, was die Immovielien-Welt gerade bewegt.
 
Mit tollen Illustrationen von Vasylysa Shchogoleva, klimaneutral gedruckt durch dieUmweltDruckerei und im Rahmen der Nationalen Stadtentwicklungspolitik durch das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen gefördert. Vielen Dank an alle Mitwirkenden und Autor*innen!
 
Zum Downloaden hier klicken. Die Druckversion kann außerdem über die Koordinierungsstelle bezogen werden. Am 13. und 14. Mai 2022 fand das Netzwerktreffen des Netzwerk Immovielien e.V. in der KoFabrik in Bochum statt. Der erste Tag begann mit einer Führung auf dem Areal durch Henry Beierlorzer, Geschäftsfürher der Urbane Nachbarschaft Imbuschplatz gGmbH. Im Anschluss wurde die ordentliche Mitgliederversammlung des Vereins abgehalten. Die Mitlgieder haben Claudia Bosseler neu in den Vorstand gewählt und Salomé Hasler verabschiedet – Benedikt Altrogge und Jörn Luft wurden für weitere zwei Jahre wiedergewählt. Das Treffen haben wir vor allem zum Anlass genommen, um den Prozess zur Aktualisierung der Forderungen des Netzwerks zu schärfen und den bisherigen Arbeitsstand zu diskutieren.
 
Verschiedene Netzwerkmitglieder nutzten außerdem die Gelegenheit, um im Pitch-Format ihre Projekte, Initiativen und Anliegen vorzustellen. Im Workshop „Trialog erleben!“ konnten die Teilnehmenden einen Perspektivwechsel zwischen Stadtplanung und -entwicklung, Stadtmacher*innen und transformativer Forschung vornehmen. Es gab zudem die Gelegenheit zu bestehenden und neuen Formaten im Netzwerk Immovielien zu diskutieren. Am Rande des Treffens gab es genug Zeit und Raum, um mit anderen Netzwerkmitgliedern ins Gespräch zu kommen und Expertise im Bereich der gemeinwohlorientierten Stadt- und Immobilienentwicklung auszutauschen. Am 17. und 18. September 2021 fand das Netzwerktreffen des Netzwerk Immovielien e.V. im Haus der Statistik in Berlin statt. Bei einer Führung konnten Einblicke in die Strukturen und Prozesse um die komplexe Immovielie erlangt werden.
 
In einem Workshop-Format zu den neuen Forderungen wurde außerdem der Überarbeitungsprozess rückgespiegelt, der seit dem letzten Treffen im April 2021 in Arbeitsgruppen weiterlief, und um weitere Aspekte ergänzt. In einer weiteren Arbeitsphase haben sich die Teilnehmenden an Thementischen zu „Internationale Vernetzung“, Forschung & Workshops sowie zum Projekt „Häuser Bewegen GIMA Berlin-Brandenburg eG“ ausgetauscht. Gelegenheit für lockere Gespräche und weitere Vernetzung unter den Teilnehmenden gab es dann beim gemeinsamen Abendessen. Im Rahmen von Exkursionen konnten sich die Teilnehmer*innen am Ende des zweiten Tages zwischen einer Führung durch die Genossenschaftssiedlung Lindenhof und einer Besichtigung des Dragoner-Areals im Herzen Kreuzbergs entscheiden. Ein Beitrag von Stefanie Pertz.
 
Dieser Text erschien zuerst Mai 2021 im Immovielien-Heft 1. Das gesamte Heft ist hier digital abrufbar.
 
Netzwerk-Mitglied Stefanie Pertz, Spezialistin für gemeinschaftliches Wohnen bei der Deutschen Kreditbank AG (DKB), berichtet über den Projektfortschritt der Allerhand GmbH aus Strausberg in Brandenburg.
 
Gemeinschaftliche Wohnformen haben bereits eine lange Geschichte. Bis zum 18. Jahrhundert lebten die Menschen in Mitteleuropa meist in Großfmilien mit mehreren Generationen zusammen, um Wohnen und Wirtschaften effektiv zu organisieren. Mit Beginn der Industrialisierung entfiel zunehmend die Notwendigkeit dazu und die Wohnformen wurden individueller.
 
Wer heute gemeinschaftlich zum Beispiel in einem Mehrgenerationenhaus wohnt, hat sich in aller Regel ganz bewusst für dieses als unkonventionell geltende Wohnkonzept entschieden. Gemeinschaftliche Wohnprojekte zeichnen sich heute vor allem durch Selbstorganisation, Partizipation und bürgerschaftliches Engagement aus. Neben wirtschaftlichen Effekten, wie einer nachhaltig stabilen Kostengestaltung, stehen für sie die Lebensqualität und ein Miteinander der Nutzer*innen im Vordergrund. Es geht um die Anhebung des sozialen Ertrags für alle Beteiligten.
 
Ein Projekt, das sowohl von seiner nachhaltigen Wirtschaftlichkeit als auch vom sozialen Ertrag seiner Idee zu überzeugen weiß, ist die Allerhand GmbH aus Strausberg in Brandenburg. Die Gruppe mit aktuell 17 Erwachsenen und 5 Kindern hat hier den Grundstein für ein generationenübergreifendes, solidarisches und umweltbewusstes Zuhause für zukünftig 30 Bewohner*innen gelegt. Auf 2.700 Quadratmetern Grundstücksfläche wird ein entkernter Altbau saniert. Zusätzlich entsteht ein Neubau. Insgesamt wird so eine Wohn- und Projektfläche von ca. 1.000 Quadratmetern geschaffen.
 
Die ersten Schritte: Einen individuell passenden Projektrahmen aufbauen
 
Von der Idee bis zum Einzug gibt es vieles zu beachten und zu entscheiden. Zu Beginn des Prozesses ist es daher essentiell, sich über das eigentliche Konzept und die Rahmenbedingungen klar zu werden. Die Initiator*innen der Allerhand haben im Januar 2019 zum ersten Mal Kontakt mit der DKB aufgenommen und eine Finanzierung angefragt. Zu diesem Zeitpunkt stand für sie bereits fest, dass sie ihr Projekt im Verbund des Mietshäuser Syndikat (MHS) umsetzen wollen. Das MHS ist eine kooperativ und nicht-kommerziell organisierte Beteiligungsgesellschaft zum gemeinschaftlichen Erwerb von Häusern, die selbstorganisiert in Gemeineigentum überführt werden.
 
Gemeinschaftliche Wohnprojekte werden in ganz unterschiedlichen Gesellschaftsformen umgesetzt. Häufig sehen wir Genossenschaften oder GmbH-Modelle, wie bei der Allerhand. Welche Gesellschaftsform die richtige für das jeweilige Projekt ist, sollte bereits am Anfang geklärt werden, denn sie beeinflusst auch spätere Entscheidungen. Je nach Vorwissen kann es sinnvoll sein, sich in dieser Frage professionell beraten zu lassen.
 
Partner*innen für die Umsetzung finden und Knowhow aufbauen
 
Bei Projektstart verfügen die meisten Initiator*innen eines gemeinschaftlichen Wohnprojekts oft noch nicht über tiefes Bau- und Hausverwaltungswissen, da sie beruflich ganz anderen Tätigkeiten nachgehen. Daher begrüßen wir eine Partnerschaft mit dem MHS. Sie bietet den zukünftigen Bewohner*innen die Möglichkeit wichtige Kontakte zu knüpfen und das notwendige Knowhow für ihr Projekt aufzubauen. Das bringt zusätzliche Sicherheit für alle Beteiligten und gibt eine Grundstruktur für die Zusammenarbeit der Gruppe vor. Als finanzierende Bank begleiten und beraten wir die Projekte ebenfalls eng.
 
Es empfiehlt sich, mehrere kleine Arbeitsgruppen, zum Beispiel zu den Themen Finanzen und Bau, zu bilden. In diesen Teams können die einzelnen Teilprojekte effektiv vorangetrieben werden. Der Projektfortschritt wird regelmäßig im Plenum besprochen und Entscheidungen gemeinsam getroffen. Mit einer solchen Arbeitsteilung hat auch die Allerhand in Strausberg gute Erfahrungen gemacht.
 
Vom Finanzierungs- und Bewirtschaftungsplan bis zum Bauantrag
 
Damit die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens beurteilt werden kann, muss neben der baulichen Objektplanung auch ein Finanzierungs- und Bewirtschaftungsplan erstellt werden. Er zeigt, wie die Immobilie betrieben werden soll und dient als Grundlage für eine individuelle Finanzierungsberatung. Gemeinsam wird besprochen, wie die einzelnen Finanzierungsbestandteile (Eigenkapital in unterschiedlichen Formen und Fremdkapital) aufeinander abgestimmt werden können, damit sie zu den wirtschaftlichen Vorstellungen der Projektgruppe passen.
 
Das MHS bietet ein Modell mit flexiblem Einsatz von Direktkrediten als wirtschaftliches Eigenkapital: ein sinnvolles Modell, wenn mehrere (auch private) Kapitalgeber*innen an der Finanzierung beteiligt werden sollen. Auch die Allerhand nutzt dieses Modell und verteilt damit die finanzielle Last auf mehrere Schultern. Die gute Vorbereitung der Strausberger Projektinitiator*innen zu Finanzierungsbestandteilen und -vorstellungen sowie der sich an ihre Finanzierungsanfrage anschließende enge persönliche Kontakt während der weiteren Planungsphase ermöglichte uns eine Beratung auf Augenhöhe und der Gruppe ein intensives Kennenlernen ihrer zukünftigen Finanzierungspartnerin.
 
Im Oktober 2019 reichte das Projekt den Bauantrag ein – ein Meilenstein. Mit der Baugenehmigung im April 2020 spitzte sich der Vorbereitungsprozess für den Baustart zu. Der Bau begann mit dem ersten Baggereinsatz Ende Juni 2020.
 
Baustart und Kostenkontrolle
 
Schon kurz nach Baustart stand die Allerhand einer unvorhergesehenen Kostensteigerung gegenüber. Die Besonderheit des Grundstücks in Hanglage führte dazu, dass ein enormer Teil des Bodens abgetragen werden musste, um den notwendigen Baugrund herzustellen. Die Folge: Mehr Kosten und eine verzögerte Bauzeit.
 
Eine flexibel gehaltene Vertrags- und Angebotsgestaltung gab der Gruppe die Möglichkeit, sich trotzdem im ursprünglichen Kostenrahmen zu bewegen. Durch einen günstigeren Fußbodenbelag konnte das Budget für das Fundament vergrößert werden. Dieses Beispiel zeigt, dass Projekte unvorhersehbare Kostensteigerungen und Puffer einplanen sollten und auch eine gewisse Flexibilität mitbringen müssen – so wie die Allerhand in diesem Fall.
 
Die Arbeitsgruppen, die die Allerhand schon in einer frühen Phase des Projekts gegründet hatte, arbeiten auch während der bis heute noch andauernden Bauphase kontinuierlich weiter. Neben den inhaltlichen Gewerken hat das Projekt auch eine sogenannte Struktur-Arbeitsgruppe gegründet. Sie erarbeitet, wie der Austausch der Teams untereinander am besten funktioniert und wie Entscheidungen effizient getroffen werden können. Ein Evaluationsergebnis ist, dass sich beeinflussende Arbeitsgruppen kurze Austauschwege und ein übergreifendes Themenverständnis benötigen, um effektiv arbeiten zu können. Deswegen hat die Allerhand einzelne Personen als Mittler*in eingesetzt. Sie arbeiten parallel in mehreren Gruppen und können so Informationen weitergeben. In der aktuellen Bauphase müssen beispielsweise Bauzeitplan und Finanzplan ständig miteinander abgeglichen werden.
 
Darüber hinaus folgt die Gruppe der Bewohner*innen der Empfehlung des Mietshäusersyndikats und veranstaltet zweimal im Jahr intensive Gruppenwochenenden sowie regelmäßige Supervisionen, die bei Bedarf auch durch Externe professionell begleitet werden.
 
Teil des Wohnungsmarkts werden
 
Als Vermieter*in und Eigentümer*in einer Wohnimmobilie trägt die Projektgruppe Verantwortung für den Wohnraum aller aktuellen und zukünftigen Hausbewohner*innen. Dazu sollte die Gruppe entweder mit dem notwendigen Knowhow ausgestattet sein oder sich professionell unterstützen lassen: Eine Immobilie will bewirtschaftet werden. Gebäude benötigen Pflege und Fachkenntnis der Verantwortlichen, um nachhaltig als Wohnraum dienen zu können. Expertise in mietrechtlichen Fragestellungen ist, auch vor dem aktuellen Hintergrund stetiger Veränderung der Rechtsgrundlagen, ebenfalls wichtig. Eine kompetente Hausverwaltung ist für den werterhaltenden Betrieb eines Mehrfamilienhauses unerlässlich und somit auch ein wichtiges Thema für uns als finanzierende Bank. Die als Sicherheit dienende Immobilie muss mindestens während der Finanzie- rungslaufzeit, im Sinne der Nach- haltigkeit auch darüber hinaus, in Stand gehalten werden. Hierzu dient beispielsweise eine angemessene Instandhaltungsrücklage, die entsprechend angespart wird.
 
Als finanzierende Bank begleitet die DKB das Projekt durch den gesamten Prozess vom Kauf über Planung, Bau- oder Sanierungsphase und später dann auch im Betrieb der Immobilie. Uns ist ebenso wie der Bewohnergruppe daran gelegen, dass das Projekt zu einem nachhaltigen Erfolg wird. Wir sind langfristige Projektpartnerin der Gruppe und unterstützen bei allen finanziellen Fragen. So werden wir auch die Allerhand über den Einzug hinaus weiter begleiten.
 
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Das Immovielien-Heft 1: Hier online abrufbar.
 
Mehr Informationen zum Projekt: allerhand-projekt.de
 
Das Mietshäusersyndikat: syndikat.org
 
Weitere Referenzen der DKB finden sich hier. Im Zuge der Vorbereitungen zur GemeinGut Stadt-Konferenz sind diese gemeinsamen Positionen von Netzwerk Immovielien und dem wohnbund entstanden.
 
1. Vorkaufsrechte stärken >> Baugesetzbuch
 
Damit Kommunen vermehrt Zugriff auf Grundstücke erhalten und stärker gegen Spekulationen mit Boden und Immobilien vorgehen können, muss das kommunale Vorkaufsrecht gestärkt werden. Die kommunalen Vorkaufsrechte sind preislich zu limitieren, und Kommunen müssen durch eine bessere Finanzausstattung entsprechend handlungsfähig gemacht werden. Die kommunalen Vorkaufsrechte sind zu erweitern; insbesondere sind mit ihnen kommunale Grundstückskäufe aus privaten Unternehmensverkäufen (Share-Deals) und außerhalb von zum Beispiel Sanierungsgebieten zu ermöglichen.
 
Dazu soll:
● Die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts von zwei auf sechs Monate verlängert werden (Änderung § 28 Absatz 2 BauGB).
● Die Frist zur Unterzeichnung einer Abwendungsvereinbarung innerhalb der Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts auf ein Drittel der Zeit gekürzt werden; das entspricht neu einer Frist von zwei Monaten (Änderung § 27 Absatz 1 BauGB).
● Das allgemeine Vorkaufsrecht auf alle Verkäufe innerhalb der Kommune erweitert werden (Ergänzung § 24 BauGB).
● Das allgemeine Vorkaufsrecht auf Immobilienerwerb durch Share-Deals erweitert werden (Ergänzung § 24 BauGB).
● Das besondere Vorkaufsrecht auf brachliegende und untergenutzte Flächen erweitert werden (Ergänzung § 25 BauGB).
 
2. Ertragswertorientierte Bodenwerte zugrunde legen >> Immobilienwertermittlungsverordnung
 
Bei Grundstückskäufen, beim Aufbau von kommunalen Bodenfonds, bei der Ausübung von Vorkaufsrechten und bei der konsequenten Weitergabe von Boden per Konzeptvergabe im Erbbaurecht durch die öffentliche Hand sind Bodenwerte zugrunde zu legen, die über Ertragswertverfahren abgeglichen werden. Diese müssen sicherstellen, dass kostendeckend auch gemeinwohlorientierte und nicht gewinnorientierte Nutzungen möglich sind und größere Anteile von Wohnraum für Bevölkerungsschichten mit Zugangsschwierigkeiten zum Wohnungsmarkt erhalten und geschaffen werden.
 
3. Erbbaurecht fortentwickeln >> Erbbaurechtsgesetz
 
Es sollte gesetzlich klargestellt werden, dass in einem Erbbaurechtsvertrag, der die dauerhafte Absicherung einer gemeinwohlorientierten Nutzung zum Ziel hat, die Rechte des Erbbaurechtnehmers auf Bodenspekulation eingeschränkt werden können.
 
4. Erbbaurecht stärken >> Grunderwerbsteuergesetz, Beleihungswertermittlungsverordnung, EU-Beihilferecht
 
Regulatorische Benachteiligungen des Erbbaurechts sind zu beseitigen: Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei Erwerb des Erbbaurechts von öffentlichen und gemeinwohlorientierten Landeigentümern, Besserstellung des Erbbaurechts bei der Kreditvergabe und Aufnahme der Vergabe von Erbbaurechten mittels Konzeptverfahren in den Katalog der nicht anmelde- bzw. notifizierungspflichtigen EU-Beihilfen.
 
5. Gemeinwohlorientierte Wohnungswirtschaft stärken >> Neues Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz
 
Der Fehler der Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit muss korrigiert werden. Ein zeitgemäßes Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht sollte es Bund, Ländern und Kommu- nen ermöglichen, bei der Besteuerung und der Vergabe von Boden Genossenschaften, kommunale Unternehmen und andere wohnungswirtschaftliche Akteure, die durch dauerhafte satzungsmäßige Gewinnbeschränkungen und Vermögensbindungen gemeinwohl- statt profitorientiert handeln, rechtssicher zu bevorzugen.
 
6. Breite Verankerung von Beteiligungskultur und Stärkung von Bürgerbegehren >> Grundgesetz, Baugesetzbuch
 
Viele Kompetenzen zur Stärkung der Zivilgesellschaft in der Stadtentwicklung liegen bei Bundesländern und Kommunen. Eine bundesweite Ver- einheitlichung folgender Ansätze und Verfahren ist erstrebenswert:
 
● Eine stärkere Transparenz aller Planverfahren ist im BauGB zu verankern.
● Das regelmäßige und verbindliche Hinzuziehen von intermediären Akteur*innen, die sich klar zu gemeinwohlorientierten Zielen bekennen und zwischen Zivilgesellschaft, Politik und Verwaltung vermitteln, sollte in das BauGB aufgenommen werden.
● Die Konzeptvergabe zur Sicherung von Qualitätszielen sollte als Standard in BauGB und staatlichen Förderprogrammen aufgenommen werden.
● Die organisatorischen Hürden für Bürgerbegehren in den Kommunen müssen gesenkt und die Verbindlichkeit gestärkt werden.
● Die Anwendungsmöglichkeiten des Grundgesetzes zur Stärkung der Bürgergesellschaft und mögliche Verschränkungen von repräsentativer Demokratie, direkter Demokratie und kommunalen Bürgerbeteiligungsverfahren müssen ausgelotet werden.
 
7. Bodenmarkt transparent machen >> Grundbuchordnung
 
Die Transparenz am Boden- und Immobilienmarkt ist zu erhöhen. Hierfür sind das Grundbuch öffentlich zu machen (Wegfall des Erfordernisses «berechtigtes Interesse»), die Kaufpreise zu publizieren und ein Transaktionsregister für Immobiliengeschäfte aller Art einzurichten, inklusive Offenlegung der wirtschaftlich Berechtigten aller Unternehmen mit Immobilieneigentum.
 
8. Bodenrenditen vergemeinschaften >> Baugesetzbuch, Grundsteuer- und Bewertungsgesetz
 
Leistungslose Gewinne privater Grundstückseigentümer sind mittels eines im Baugesetzbuch zu verankernden Planungswertausgleichs zu einem großen Teil abzuschöpfen und der Allgemeinheit zuzuführen. Als Vorbild kann die Mehrwertabgabe in Basel/Schweiz dienen. Breitenwirksamer als ein Planungswertausgleich und wesentlich einfacher in der Umsetzung wäre die bundesweit einheitliche Umstellung der Grundsteuer zu einer reinen Bodenwertsteuer nach dem Vorbild des Landes Baden-Württemberg.
 
9. Geldwäsche und Steuerumgehung erschweren >> Grunderwerbsteuergesetz, Baugesetzbuch
 
Zur wirksamen Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerumgehungsgeschäften sind die in Unternehmensverkäufen (Share Deals) enthaltenen Immobilien der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen und Kommunen die Möglichkeit zum Genehmigungsvorbehalt und zur Wahrnehmung von Vorkaufsrechten einzuräumen.
 
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gemeingutstadt.de/positionen Ein Gespräch mit den Projektmitarbeiter*innen Antje Eickhoff und Nils Jansen, geführt von Vivienne Graw für das Netzwerk Immovielien.
 
Dieser Text erschien zuerst Mai 2021 im Immovielien-Heft 1. Das gesamte Heft ist hier digital abrufbar.
 
Seit 2019 ist Netzwerk-Gründungsmitglied Frauke Burgdorff Planungsdezernentin in Aachen. Das Projekt „Altstadtquartier Büchel“ trägt deutlich ihre Handschrift. Von zwei Projektmitarbeiter*innen wollten wir genauer erfahren, was im Herzen der Aachener Altstadt, rund um das Parkhaus „Büchel“ passiert.
 
Auf einer Fläche von ca. zwei Hektar soll ein neues, vielseitiges Innenstadtquartier mit einem Nutzungsmix aus öffentlichen Räumen, Wohnungen, Lern- und Arbeitsorten entstehen. Ein Knotenpunkt, der von allen Bevölkerungsgruppen und -schichten genutzt wird. Der erste große Schritt in diesem Projekt ist die schrittweise Schließung und der für 2021 geplante Abriss des Parkhaus Büchel. Im Sondierungsverfahren „Stadt machen am Büchel“ wird nach innovativen Nutzungs- und Investitionsideen für das neue Innenstadtquartier gesucht. Die Vorschläge sollen identitätsstiftend und städtebaulich passend in eine altstadttypische Umgebung eingebettet werden können und sich durch eine lebendige Nutzungs- und Perspektivenvielfalt auszeichnen.
 
Vivienne Graw: Welche Ziele verfolgt die Stadt Aachen mit diesem Projekt in erster Linie?
 
Nils Jansen: Hauptziel des Projektes ist es ein lebendiges, nutzungsdurchmischtes neues Stück Altstadt zu bauen und damit auch ein Stück Stadt zu reparieren, das aktuell einerseits durch das Parkhaus „Büchel“ dominiert, andererseits durch den Prostitutionsbetrieb in der Antoniusstraße geprägt wird.
 
Antje Eickhoff: Es geht auch darum, möglichst viele Personen für das Projekt zu begeistern und kleinteilige Strukturen zu schaffen. Das bedeutet, wenn mal 1-2 Bausteine ausfallen, dass es dann nicht schwer ist, neue Nutzer*innen zu finden, weil die Bausteine so klein und multifunktional sind. Ich meine dieses „Hybride“, wo Wechsel auch Spaß machen kann, das Dynamische, das sich an die Gegebenheiten anpassen kann.
 
Ein städtebaulicher Wettbewerb wurde für die gesamte Fläche zwischen Büchel und Klein- bzw. Großkölnstraße bereits ausgeschrieben, doch die Investoren hatten sich zurückgezogen. Bedeutet das, dass es kein städtebauliches Konzept für die Zeit nach dem Abriss gibt?
 
NJ: Den Beschluss, dieses Parkhaus abzureißen, gibt es bereits seit 1986. Seitdem gab es verschiedene Versuche, das Gebiet zu entwickeln. Der letzte startete 2014/2015 mit den damaligen Investoren, die gemeinsam mit der Stadt einen städtebaulichen Wettbewerb durchgeführt haben, der sich sehr stark an ihrem Programm orientiert hat. Damals ging es dem Einzelhandel noch besser, d.h. es wurden viel mehr Einzelhandelsflächen geplant. Jetzt, wo die Stadt die Federführung hat, spielen andere Programmbausteine, wie öffentliche Nutzungen, eine stärkere Rolle. Deswegen können wir den damaligen städtebaulichen Wettbewerb nicht mehr als Grundlage nutzen. Mit unserem neuen Ideenwettbewerb sondieren wir aktuell zu einem möglichen Raumprogramm. Auf Grundlage der eingereichten Konzepte wird es dann ein städtebauliches Qualifizierungsverfahren geben. Zum Schluss werden die Ergebnisse dann in einen Bebauungsplan gegossen.
 
Beim Sondierungsverfahren werden vermutlich die unterschiedlichsten Nutzungskonzepte und -ideen eingereicht. Welche Nutzungen wünschen Sie sich für das Gebiet?
 
AE: Wir sind für alles offen. Wir wollen einen bunten Mix.
 
NJ: Von ganz klein bis ganz groß nehmen wir jede Idee gerne entgegen.
 
Eine Stadtentwicklungsgesellschaft (SEGA) wurde extra für dieses Projekt gegründet. Finanziert die Stadt die eingereichten Ideen mit? Oder muss die Finanzierung bei der Idee immer schon mitgedacht werden?
 
NJ: Jede Idee muss auf eigenen Füßen stehen können. Private Nutzungsideen müssen sich selbst tragen können. Bei öffentlichen Nutzungen müssen sie entweder aus öffentlichen Haushalten oder über Städtebauförderung ihre eigenen Finanzierungsquellen bekommen. Wir hoffen, dass wir Grundstückspreise anbieten können, die verschiedenste Nutzungen ermöglichen.
 
Die Stadt Aachen hat bei diesem Projekt die Federführung. Wie viel Immovielienpotenzial steckt in dem Projekt?
 
NJ: Potenzial steckt schon deswegen drin, weil wir das Grundstück nicht an einen einzigen Investor geben, sondern über das Sondierungsverfahren eine Vielfalt zulassen.
 
AE: Ein Beispiel dafür, wieviel Immovielie jetzt schon drinsteckt, sind unsere „Meffis“ aus der Mefferdatisstraße. Das sind zwei Häuser, die der SEGA bereits gehören und die im Erdgeschoss von einer Gruppe junger Stadtmacher*innen genutzt werden sollen. Dahinter stecken 35 Initiativen aus ganz Aachen, mit großartigen Konzepten. Das wird auf jeden Fall eine Immovielie werden. Einige der Initiativen denken auch weiter, wie sie sich im Rest von Büchel einbringen können. Der Immovielien-Geist ist im Projekt also deutlich spürbar.
 
Orientiert sich die Stadt Aachen an anderen Immovielienentwicklungen, die von Kommunen und Zivilgesellschaft gemeinsam vorangetrieben werden?
 
AE: Je nachdem, um welches Thema es gerade geht, muss ich an ein anderes Projekt denken. Zum Beispiel lässt mich die Mischung aus klein- teiligen Existenzgründungsgeschichten oft an Fritz 23 in Berlin denken. Und wir hatten bereits Tobias Becker von der Rohrmeisterei Schwerte und dem Netzwerk Immovielien hier, der für die „Meffis“ Frage und Antwort gestanden hat. Auch mit Christian Hampe aus Utopiastadt sind wir im Gespräch. Wir haben da also einen ganzen Katalog an Inspirationen.
 
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Mehr Informationen zum Projekt unter: buechel-aachen.de
 
Das Immovielien-Heft 1: Hier online abrufbar. Das erste Immovielien-Netzwerktreffen im Jahr 2020 fand am 28. und 29. Februar in Utopiastadt in Wuppertal statt.
 
In einem Pitch-Format wurden die aktuellen Themen und Projekte der Mitglieder in Kurzvorträgen vorgestellt. In Workshops wurde sich zu den aktuellen Themen der AG Boden und AG Recht sowie zu Veranstaltungsformaten und zur strategischen Entwicklung des Netzwerks ausgetauscht. Bei Exkursionen durften wir die Wuppertaler Immovielien BOB Campus und Wupperbogen besichtigen.
 
Im Rahmen des Treffens fand außerdem die Mitgliederversammlung des Netzwerk Immovielien e.V. statt. Rolf Novy-Huy und Maya Rosenkranz haben sich aus dem Vorstand verabschiedet, Jörn Luft und Salomé Klinger wurden als neue Vorstandsmitglieder gewählt.