Am 24. September 2017 wählten die Bürgerinnen und Bürger zum 19. Mal den deutschen Bundestag. Seine Mitglieder treffen auch in der nächsten Legislaturperiode weitreichende Entscheidungen, die die Rahmenbedingungen für kooperative Stadtentwicklung betreffen. Das Netzwerk Immovielien hat deshalb vor der Wahl die Positionen von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke, FDP und AfD analysiert.
Wer hilft Initiativen, die sich für die Nachbarschaft, das Quartier und für lebendige, zukunftsfähige Stadtteile engagieren? Um diese Frage zu beantworten, haben wir zunächst die Wahl- und Regierungsprogramme, der laut Umfragen im nächsten Bundestag vertretenen Parteien ausgewertet. Die Parteien erhielten außerdem einen Fragenkatalog. Sie konnten damit Stellung beziehen zu den konkreten Problemen, auf die viele gemeinwohlorientierte Initiativen bei der Umsetzung ihrer Projekte stoßen. Nicht alle Parteien haben diese Gelegenheit genutzt. Die AfD etwa hat mit Verweis auf begrenzte Ressourcen von einer Beantwortung abgesehen. CDU und CSU haben lediglich die allgemein formulierten Fragen beantwortet. Im Wahlcheck unseres Netzwerkes konnten sie in dieser Form daher leider keine Berücksichtigung finden.
Der Wahlcheck sollte allen, die am Thema kooperative Stadtentwicklung interessiert sind, eine Hilfe sein, um die eigenen Positionen und Prioritäten mit jenen der teilnehmenden Parteien abzugleichen. Auch nach der Wahl lohnt sich ein Blick auf die Positionen der einzelnen Parteien. Anhaltspunkte, vielleicht auch interessante oder überraschende Erkenntnisse wird ein Durchgang auch heute noch bereithalten.
Der Mangel an verfügbaren Grundstücken und die damit verbundene Preisentwicklung in Ballungsräumen stellt für gemeinwohlorientierte Initiativen eine große Hürde dar. Hinzu kommt, dass bei Vergaben durch die öffentliche Hand (Bund, Länder, Kommunen) der Preis, die überformale Vergabepraxis, die teilweise kleinteilig eingeforderten Konzepte und die Vergabegeschwindigkeit den Zugang zu Boden für Immovielien erschweren oder verhindern. Wie soll und kann der Bund dazu beitragen, diese Hürden abzubauen? Welche Aussagen haben die Bundesparteien vor der Wahl etwa zur Vergabe von Grundstücken und Gebäuden der Öffentlichen Hand, zur Unterstützung der Kommunen mit dem Ziel einer nachhaltigen Bodenpolitik oder zum Umgang mit bundeseigenen Immobilien gemacht? Wir meinen, dass bei dem wenigen öffentlich zur Verfügung stehenden Boden das Konzept grundsätzlich höher gewichtet werden sollte als der Preis und Gemeinwohlorientierung den Vorzug bekommen sollte. Auch das Erbbaurecht sollte häufiger Anwendung finden.
Immobilienprojekte, die nicht von profitorientierten Marktakteuren entwickelt werden, stoßen auf enorme Probleme bei der Finanzierung ihrer Vorhaben durch die meisten Geschäftsbanken. Sie erfüllen selten die eingeübten oder vorgeschriebenen Standards und bringen ihr Eigenkapital häufig im Kollektiv und nicht in Form von Eigen- und Sachleistungen ein. Das angepasste Vermögensanlagegesetz erschwert die gemeinschaftliche Finanzierung zusätzlich. Wir sind der Überzeugung, dass gerade für die kleinen und mittleren, lokal wirksamen Projekte keine zusätzlichen Hürden aufgebaut werden dürfen. Im Gegenteil: Der ökonomische Druck erschwert schon im Vorfeld der Finanzierung die Planung. Die übliche Praxis zwingt die Projekte, ihre Vorhaben zu einem Zeitpunkt fertig zu planen, wo noch nicht klar sein kann, welche abschließende Nutzungsstruktur für ihre Zwecke die effektivste ist. Wir fordern deshalb einen unterstützenden Rahmen für kollektiv finanzierte Projekte, der sogar so weit gehen kann, dass Bund, Länder und Kommunen Projekte bei vollständiger Gemeinwohlorientierung zu 100 % fördern.
Gemeinwohlorientierte Bau- und Sanierungsprojekte fallen wegen ihren vieldimensionalen Nutzungsstrukturen und vielfältigen Partnern häufig durch das Raster vorhandener Förderprogramme oder müssen mehrere Förderungen mit großem Aufwand kombinieren. Die Städtebauförderung ist in der Regel für private Initiativen nicht zugänglich und die Wohnraumförderung, die von solchen Projekten in Anspruch genommen werden könnte, verkompliziert und verteuert teilweise das Bauen im Bestand wegen der geforderten hohen Standards. Die vorhandenen Förderprogramme müssen deshalb unserer Ansicht nach auf vielen Ebenen angepasst werden.
Gemeinwohlorientierte Immobilieninvestoren nutzen häufig notgedrungen organisatorische Formen, die nicht zu ihnen passen. Sie müssen über Umwege (Denkmalschutz, Völkerverständigung etc.) argumentieren, um als gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung anerkannt zu werden. Neben der Diskussion um die Wiedereinführung der Gemeinnützigkeit für die Wohnungswirtschaft verfolgen wir mit Interesse die Diskussion, eine Rechtsform für lokale, kooperative, engagierte und gemeinwohlorientierte Vorhaben über das Wohnen hinaus zu schaffen.