Ein Interview mit Netzwerkgründungsmitglied Jörn Luft, geführt von Larisa Tsvetkova für das Netzwerk Immovielien über die Anfänge und Entwicklungen im Netzwerk Immovielien.
Larisa Tsvetkova: Jörn, du hast das Netzwerk mitbegründet und kennst es sehr gut. Wie blickst du auf die vergangenen zwei-drei Jahre zurück?
Jörn Luft: Nach dem Konvent 2016 in Leipzig haben wir 2017 zunächst ein loses Netzwerk gegründet, um am Thema „Gemeinwohlorientierte Immobilien- und Stadtentwicklung“ weiterzuarbeiten und es sichtbarer zu machen. Wir hatten so viel Zuspruch, dass wir kaum anderthalb Jahre später einen Verein gründen und eine Koordinierungsstelle einrichten konnten. Seitdem starten wir weiter durch und haben mit der Arbeit der Koordinierungsstelle, verschiedener AGs und vor allem der Vielen im Netzwerk schon ein paar gute Impulse setzen können. Heute haben wir über 160 Mitglieder, die bundesweit aktiv sind. Das ist schon beeindruckend!
LT: Du hast einige Veranstaltungen miterlebt, wo sich das Netzwerk Immovielien aktiv beteiligt hat. Wie kommt unsere Botschaft beim Fachpublikum an?
JL: Ich glaube, dass wir mit unserer Forderung nach mehr Gemeinwohlorientierung und Kooperation in der Stadtentwicklung derzeit einen Nerv treffen. Unsere Glaubwürdigkeit hat einen Grund: Wir erzählen nicht nur aus Sicht von Initiativen, wie Zivilgesellschaft Verantwortung für die Stadt übernehmen will und kann, sondern nehmen dabei auch die Perspektiven von Kommunen und Wirtschaft ein, die ebenso Mitglied im Netzwerk Immovielien sind. Dieser Zusammenschluss verschiedener Akteure zu diesem Thema ist neu und besonders. Die Botschaften kommen an. Unsere konkreten Aktivitäten kommen allerdings noch etwas unklar rüber. Ich wünsche mir deshalb, dass wir darauf reagieren und hier präziser werden.
LT: Dass Immovielien gut ankommen, spiegelt auch den aktuellen Hype rund um den Begriff Gemeinwohl wider. Profitieren wir von einer Mode-Erscheinung? Oder werden Immovielien tatsächlich zunehmend ernst genommen?
JL: An beiden Vermutungen ist etwas dran. Gemeinwohl ist ein Trendbegriff, der von verschiedensten Seiten aufgegriffen wird. Und zwar deshalb, weil es genau an dieser Stelle in unserer Gesellschaft hapert und viele Menschen in ihren Funktionen begreifen, dass es so nicht weitergehen kann. Eingeübte Mechanismen der Marktwirtschaft führen dazu, dass unser Lebensumfeld dem menschlichen Maßstab immer weniger gerecht wird. Der Wunsch nach einer Veränderung ist in dem Begriff verpackt. Gemeinwohl ist nicht leicht zu definieren, lässt sich aber, wenn man es sich leichter machen will, vom Eigenwohl Weniger abgrenzen. Immovielien, die für ein gutes Leben in ihrem Projekt sorgen und gleichzeitig für ihren Stadtteil etwas Gutes tun, verkörpern den Begriff Gemeinwohl und machen ihn greifbar.
LT: Wie hast du die Zusammenarbeit im Netzwerk bisher beobachtet? Insbesondere bei der AG Boden, wo du dich am meisten engagiert hast?
JL: Wenn Menschen aus dem Netzwerk sich treffen, sei es bei AGs oder auf Veranstaltungen, entstehen eigentlich immer tolle Ideen. Oft sind das so viele, dass wir uns nachher fragen müssen, wie wir die eigentlich alle umsetzen wollen. Aus manchen Ideen entstehen Kooperationen, andere Ideen landen in AGs. In der AG Boden trifft sich zum Beispiel regelmäßig ein aktiver Teil des Netzwerks. Und wenn wir uns treffen, dann erreichen wir auch etwas. So haben wir zum Beispiel Positionspapiere zum „Aufruf: Grundsteuer zeitgemäß!“ oder zu den Empfehlungen der Baulandkommission geschrieben, haben über eine Konferenz des Netzwerk Immovielien nachgedacht oder Überlegungen zu Auftritten auf Veranstaltungen angestellt, aus denen dann der Tag der Immovielien auf der Raumkonferenz in Dresden entstanden ist. Davon wünsche ich mir mehr! Und davon passiert auch mehr, wenn ich zum Beispiel auf die AG Konferenz und die AG Recht schaue, die sich derzeit gründen. Wir können noch mehr Kooperationen anstoßen, unsere Forderungen weiterentwickeln, neue Projekte initiieren. Das klappt aber nur, wenn sich viele Mitglieder engagieren.
LT: Das heißt, wir haben schon viel erreicht, aber wir haben auch noch viel vor. Was ist deine Vision für 2020 und vielleicht darüber hinaus?
JL: Weitermachen! Zum einen in der inhaltlichen Zusammenarbeit, wie der Auffrischung unserer Forderungen, der Durchführung von ein, zwei größeren Netzwerktreffen und einer bundesweiten Konferenz als ein weiterer Meilenstein. Mal sehen, welche Ideen im Netzwerk sonst noch entstehen. Daneben könnte ich mir vorstellen, mit weiteren Akteuren außerhalb unseres Netzwerks stärker ins Gespräch zu kommen. Aber auch im Netzwerk können wir den Austausch weiter fördern. Es wäre interessant, Formate zu entwickeln, durch die wir voneinander lernen können. Das geht innerhalb einer Gruppe, zum Beispiel Kommunen, wie beim Bundesweiten Austausch zu Konzeptverfahren, den Netzwerkmitglieder schon zum dritten Mal durchgeführt haben, aber auch zwischen verschiedenen Gruppen – um Brücken zwischen Initiativen, Kommunen und Wirtschaft zu bauen. Denn genau das macht unser Netzwerk aus!