Ein Interview mit Lena Heiß und Caroline Rosenthal.
Dieser Text erschien zuerst Mai 2022 im Immovielien-Heft 2. Das gesamte Heft ist hier digital abrufbar oder über die Koordinierungsstelle als Printversion erhältlich.
Die Digitalisierung bietet immense Chancen, um dem Ziel der gleichwertigen Lebensverhältnisse in Stadt und Land in Zukunft näherzukommen und stellt uns gleichzeitig vor große Herausforderungen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) haben daher das Förderprogramm „Heimat 2.0“ initiiert, um die Potenziale digitaler Lösungsansätzeauszuloten.
Wir sprachen mit Lena Heiß vom Netzwerk Zukunftsorte und Caroline Rosenthal, Beirätin im Netzwerk Immovielien, die in diesem Rahmen mit der Kommune Angermünde in einem Projekt zusammenarbeiten.
Matthias Braun: Das Netzwerk Zukunftsorte hat sich im Jahr 2020 gegründet. Wo bestehen die Zusammenhänge mit dem Netzwerk Immovielien und was ist der Fokus eurer Arbeit, Lena?
LH: Die ersten sogenannten
„Zukunftsorte“ in Brandenburg
hatten von Anfang an gemeinsame
Wurzeln mit anderen Aktiven im
Netzwerk Immovielien, zum Beispiel
der Stiftung trias beim Hof Prädikow.
Uns ist es wichtig, das digitale und
kulturelle Arbeiten mit dem bewussten Leben außerhalb der Städte
zusammenzudenken. Das Ziel ist
unter anderem die Umnutzung möglichst vieler ländlicher Leerstände
und Brachflächen zu gemeinwohlorientierten Wohn- und Arbeitsorten,
welche neue Möglichkeiten auch
für die lokale Bevölkerung bedeuten. Unsere Zukunftsorte sind also
gleichzeitig auch Immovielien. Hinter
unserer Arbeit steckt außerdem ein
gewisser politischer Anspruch und
wir setzen auf die Zusammenarbeit
mit kommunalen Partner*innen z.B.
auch aus der Wirtschaftsförderung.
Wir haben da schon einen längeren
Weg hinter uns, können mit dem
neuen Förderprojekt aber noch mal
sichtbarer werden.
MB: Ganz konkret arbeiten die beiden Netzwerke jetzt mit der Kommune Angermünde in einem Projekt
zusammen. Könnt ihr das kurz
vorstellen?
LH: Wir haben uns gemeinsam
mit der Stadt Angermünde auf das
Förderprogramm „Heimat 2.0“ des
BMI und BBSR beworben. Im Modellprojekt Leerstandsmatching – Teil
unseres Förderprojekts Wissensplattform – unterstützen wir die
Stadt Angermünde bestmöglich
dabei, ungenutzte Immobilien und
Leerstand zu attraktiven Wohn- und
Arbeitsorten zu entwickeln. Dazu
wird der kommunale Prozess für
die Ansiedlung von Zukunftsorten
exemplarisch erarbeitet. Von der
Ermittlung von Potenzialräumen
über die Information über Konzeptvergabeverfahren bis zum konkreten
“Matching” zwischen Gebäuden
und engagierten Akteur*innen. Die
Ergebnisse sollen über eine digitale
Wissensplattform auch mit anderen
Kommunen geteilt werden. Zusätzlich sollen mit der Plattform bestehende und neue Zukunftsort-Projekte
bei Aufbau und Betrieb ihrer Wohn-
und Gewerbeprojekte unterstützt
werden. Das Projekt läuft bis Oktober
2023, also über knapp vier Jahre.
CR: Das Netzwerk Immovielien ist
als dritter Partner von Anfang an
mit dabei und unterstützt bei der
inhaltlichen Arbeit. Da können wir
mit der breiten Expertise im Bereich
gemeinwohlorientierte Stadt- und
Immobilienentwicklung aus unserem Netzwerk beitragen. Ich arbeite
konkret seit letztem Jahr vor Ort in
Angermünde bei Workshops mit und
agiere als eine Art Bindeglied zwischen beiden Netzwerken. Das passt
für mich gut, weil ich selbst seit
zwei Jahren in Brandenburg lebe und
so neben meinem Job beim Berliner
Genossenschaftsforum weiterhin
für das Netzwerk Immovielien aktiv
sein kann.
MB: Was genau habt ihr in Angermünde gemacht? Dürfen wir 2023
die Eröffnung von zwei neuen
Immovielien feiern?
LH: Das scheint so ein bisschen die
Erwartung von allen Seiten zu sein.
Aber da müssen wir natürlich dämpfen. Richtig gute gemeinschaftliche
Projekte von oben zu initiieren ist
schwer. Die Kommunen können
natürlich nicht erwarten, dass
Gruppen aus Leerständen, die bisher
sonst keiner wollte, im ersten Anlauf
wirtschaftlich funktionierende
Vorzeigeprojekte machen. Wir sind
in diesem Jahr zunächst mit einer
Weiterbildung in Sachen nachhaltige Liegenschaftspolitik gestartet.
Caroline und Mona Gennies haben
mit uns einen tollen Workshop zu
Konzeptverfahren und Co. gemacht.
Viele der Leerstände in Angermünde
sind aber gar nicht in städtischer
Hand. Das heißt, dass wir die
Kommune unterstützen auf private
Eigentümer*innen zuzugehen und
gemeinsam zu schauen, was bei den
jeweiligen Immobilien möglich ist.
Im Idealfall werden wir dann bald
auch Gruppen und gemeinwohlorientierten Entwickler*innen ein
Angebot machen können.
CR: Der Workshop zu Konzeptverfahren war auch für andere Kommunen
offen und wird sowohl beim Netzwerk
Zukunftsorte als auch beim Netzwerk Immovielien aktiv nachgefragt.
Mona hat mit ihrer vergleichenden
Forschung aus dem Studium, den
Erfahrungen aus dem Bundesweiten
Austausch Konzeptverfahren und
diversen laufenden Prozessen eine
super Übersicht geben können. Für
mich stellt sich jetzt die Frage, wie
wir dieses Wissen möglichst breit
streuen können. Meine Erfahrung
sagt, das muss durch Menschen vermittelt werden. Eine digitale Platt-
form, und sei sie noch so gut, wird da
nicht ausreichen.
Weiterführende Links:
Netzwerk Zukunftsorte:
www.zukunftsorte.land
Wissensplattform:
www.zukunftsorte.land/wissensplattform
Heimat 2.0 / Angermünde:
www.angermuende.de/heimat-2-0
Netzwerk Zukunftsorte
(2022): ÜBER MORGEN. Vom
Leerstand zum Zukunftsort:
Potentiale und Werkzeuge
der gemeinwohlorientierten
Leerstandsentwicklung auf
dem Land. Download unter
www.zukunftsorte.land/uebermorgen
Gennies, M. (2021): Konzept-
verfahren als Instrument
einer gemeinwohlorien-
tierten Stadtentwicklung.
Download unter
www.verlag.tu-berlin.de/autoren/mona-gennies
Das Immovielien-Heft 2: Hier online abrufbar oder als Printversion auf Anfrage (kontakt@netzwerk-immovielien.de).