Ein Beitrag von Stefanie Pertz.
Dieser Text erschien zuerst Mai 2021 im Immovielien-Heft 1. Das gesamte Heft ist hier digital abrufbar.
Netzwerk-Mitglied Stefanie Pertz, Spezialistin für gemeinschaftliches Wohnen
bei der Deutschen Kreditbank AG (DKB), berichtet über den Projektfortschritt der Allerhand GmbH aus Strausberg in Brandenburg.
Gemeinschaftliche Wohnformen haben bereits eine lange Geschichte. Bis zum 18. Jahrhundert lebten die Menschen in Mitteleuropa meist in Großfmilien mit mehreren Generationen zusammen, um Wohnen und Wirtschaften effektiv zu organisieren. Mit Beginn der Industrialisierung entfiel zunehmend die Notwendigkeit dazu und die Wohnformen wurden individueller.
Wer heute gemeinschaftlich zum Beispiel in einem Mehrgenerationenhaus wohnt, hat sich in aller Regel ganz bewusst für dieses als unkonventionell geltende Wohnkonzept entschieden. Gemeinschaftliche Wohnprojekte zeichnen sich heute vor allem durch Selbstorganisation, Partizipation
und bürgerschaftliches Engagement aus. Neben wirtschaftlichen Effekten, wie einer nachhaltig stabilen Kostengestaltung, stehen für sie die Lebensqualität und ein Miteinander der Nutzer*innen im Vordergrund. Es geht um die Anhebung des sozialen Ertrags für alle Beteiligten.
Ein Projekt, das sowohl von seiner nachhaltigen Wirtschaftlichkeit als auch vom sozialen Ertrag seiner
Idee zu überzeugen weiß, ist die Allerhand GmbH aus Strausberg in Brandenburg. Die Gruppe mit aktuell 17 Erwachsenen und 5 Kindern hat hier den Grundstein für ein generationenübergreifendes, solidarisches und umweltbewusstes Zuhause für zukünftig 30 Bewohner*innen gelegt. Auf 2.700 Quadratmetern Grundstücksfläche wird ein entkernter Altbau saniert. Zusätzlich entsteht ein Neubau. Insgesamt wird so eine Wohn- und Projektfläche von ca. 1.000 Quadratmetern geschaffen.
Die ersten Schritte: Einen individuell passenden Projektrahmen aufbauen
Von der Idee bis zum Einzug gibt es vieles zu beachten und zu entscheiden. Zu Beginn des Prozesses
ist es daher essentiell, sich über das eigentliche Konzept und die Rahmenbedingungen klar zu werden.
Die Initiator*innen der Allerhand haben im Januar 2019 zum ersten Mal Kontakt mit der DKB aufgenommen und eine Finanzierung angefragt. Zu diesem Zeitpunkt stand für sie bereits fest, dass sie ihr Projekt im Verbund des Mietshäuser Syndikat (MHS) umsetzen wollen. Das MHS ist eine kooperativ und nicht-kommerziell organisierte Beteiligungsgesellschaft zum gemeinschaftlichen Erwerb von Häusern, die selbstorganisiert in Gemeineigentum überführt werden.
Gemeinschaftliche Wohnprojekte werden in ganz unterschiedlichen Gesellschaftsformen umgesetzt. Häufig sehen wir Genossenschaften oder GmbH-Modelle, wie bei der Allerhand. Welche Gesellschaftsform die richtige für das jeweilige Projekt ist, sollte bereits am Anfang geklärt werden, denn sie beeinflusst auch spätere Entscheidungen. Je nach Vorwissen kann es sinnvoll sein, sich in dieser Frage professionell beraten zu lassen.
Partner*innen für die Umsetzung finden und Knowhow aufbauen
Bei Projektstart verfügen die meisten Initiator*innen eines gemeinschaftlichen Wohnprojekts oft noch nicht über tiefes Bau- und Hausverwaltungswissen, da sie beruflich ganz anderen Tätigkeiten nachgehen. Daher begrüßen wir eine Partnerschaft mit dem MHS. Sie bietet
den zukünftigen Bewohner*innen die Möglichkeit wichtige Kontakte
zu knüpfen und das notwendige Knowhow für ihr Projekt aufzubauen. Das bringt zusätzliche Sicherheit für
alle Beteiligten und gibt eine Grundstruktur für die Zusammenarbeit der Gruppe vor. Als finanzierende Bank begleiten und beraten wir die Projekte ebenfalls eng.
Es empfiehlt sich, mehrere kleine Arbeitsgruppen, zum Beispiel zu den Themen Finanzen und Bau, zu bilden. In diesen Teams können die einzelnen Teilprojekte effektiv vorangetrieben werden. Der Projektfortschritt wird regelmäßig im Plenum besprochen und Entscheidungen gemeinsam getroffen. Mit einer solchen Arbeitsteilung hat auch die Allerhand in Strausberg gute Erfahrungen gemacht.
Vom Finanzierungs- und Bewirtschaftungsplan bis zum Bauantrag
Damit die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens beurteilt werden kann, muss neben der baulichen Objektplanung auch ein Finanzierungs- und Bewirtschaftungsplan erstellt werden. Er zeigt, wie die Immobilie betrieben werden soll und dient als Grundlage für eine individuelle Finanzierungsberatung. Gemeinsam wird besprochen, wie die einzelnen Finanzierungsbestandteile (Eigenkapital in unterschiedlichen Formen und Fremdkapital) aufeinander abgestimmt werden können, damit sie zu den wirtschaftlichen Vorstellungen der Projektgruppe passen.
Das MHS bietet ein Modell mit flexiblem Einsatz von Direktkrediten als wirtschaftliches Eigenkapital: ein sinnvolles Modell, wenn mehrere (auch private) Kapitalgeber*innen
an der Finanzierung beteiligt werden sollen. Auch die Allerhand nutzt dieses Modell und verteilt damit
die finanzielle Last auf mehrere Schultern. Die gute Vorbereitung der Strausberger Projektinitiator*innen zu Finanzierungsbestandteilen und -vorstellungen sowie der sich an ihre Finanzierungsanfrage anschließende enge persönliche Kontakt während der weiteren Planungsphase ermöglichte uns eine Beratung auf Augenhöhe und der Gruppe ein intensives Kennenlernen ihrer zukünftigen Finanzierungspartnerin.
Im Oktober 2019 reichte das Projekt den Bauantrag ein – ein Meilenstein. Mit der Baugenehmigung im April 2020 spitzte sich der Vorbereitungsprozess für den Baustart zu. Der Bau begann mit dem ersten Baggereinsatz Ende Juni 2020.
Baustart und Kostenkontrolle
Schon kurz nach Baustart stand die Allerhand einer unvorhergesehenen Kostensteigerung gegenüber.
Die Besonderheit des Grundstücks
in Hanglage führte dazu, dass ein enormer Teil des Bodens abgetragen werden musste, um den notwendigen Baugrund herzustellen. Die Folge: Mehr Kosten und eine verzögerte Bauzeit.
Eine flexibel gehaltene Vertrags- und Angebotsgestaltung gab der Gruppe die Möglichkeit, sich trotzdem im ursprünglichen Kostenrahmen zu bewegen. Durch einen günstigeren Fußbodenbelag konnte das Budget für das Fundament vergrößert werden. Dieses Beispiel zeigt, dass Projekte unvorhersehbare Kostensteigerungen und Puffer einplanen sollten und auch eine gewisse Flexibilität mitbringen müssen – so wie die Allerhand in diesem Fall.
Die Arbeitsgruppen, die die Allerhand schon in einer frühen Phase des Projekts gegründet hatte, arbeiten auch während der bis heute noch andauernden Bauphase kontinuierlich weiter. Neben den inhaltlichen Gewerken
hat das Projekt auch eine sogenannte Struktur-Arbeitsgruppe gegründet. Sie erarbeitet, wie der Austausch der Teams untereinander am besten funktioniert und wie Entscheidungen effizient getroffen werden können.
Ein Evaluationsergebnis ist, dass sich beeinflussende Arbeitsgruppen kurze Austauschwege und ein übergreifendes Themenverständnis benötigen, um effektiv arbeiten zu können. Deswegen hat die Allerhand einzelne Personen als Mittler*in eingesetzt. Sie arbeiten parallel in mehreren Gruppen und können so Informationen weitergeben. In der aktuellen Bauphase müssen beispielsweise Bauzeitplan und Finanzplan ständig miteinander abgeglichen werden.
Darüber hinaus folgt die Gruppe der Bewohner*innen der Empfehlung des Mietshäusersyndikats und veranstaltet zweimal im Jahr intensive Gruppenwochenenden sowie regelmäßige Supervisionen, die bei Bedarf auch durch Externe professionell begleitet werden.
Teil des Wohnungsmarkts werden
Als Vermieter*in und Eigentümer*in einer Wohnimmobilie trägt die Projektgruppe Verantwortung für
den Wohnraum aller aktuellen und zukünftigen Hausbewohner*innen. Dazu sollte die Gruppe entweder mit dem notwendigen Knowhow ausgestattet sein oder sich professionell unterstützen lassen: Eine Immobilie will bewirtschaftet werden. Gebäude benötigen Pflege und Fachkenntnis der Verantwortlichen, um nachhaltig als Wohnraum dienen zu können. Expertise in mietrechtlichen Fragestellungen ist, auch vor dem aktuellen Hintergrund stetiger Veränderung der Rechtsgrundlagen, ebenfalls wichtig. Eine kompetente Hausverwaltung ist für den werterhaltenden Betrieb eines Mehrfamilienhauses unerlässlich und somit auch ein wichtiges Thema für uns als finanzierende Bank. Die als Sicherheit dienende Immobilie muss mindestens während der Finanzie- rungslaufzeit, im Sinne der Nach- haltigkeit auch darüber hinaus, in Stand gehalten werden. Hierzu dient beispielsweise eine angemessene Instandhaltungsrücklage, die entsprechend angespart wird.
Als finanzierende Bank begleitet die DKB das Projekt durch den gesamten Prozess vom Kauf über Planung, Bau- oder Sanierungsphase und später dann auch im Betrieb der Immobilie. Uns ist ebenso wie der Bewohnergruppe daran gelegen, dass das Projekt zu einem nachhaltigen Erfolg wird. Wir sind langfristige Projektpartnerin der Gruppe und unterstützen bei allen finanziellen Fragen. So werden wir auch die Allerhand über den Einzug hinaus weiter begleiten.
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Das Immovielien-Heft 1: Hier online abrufbar.
Mehr Informationen zum Projekt:
allerhand-projekt.de
Das Mietshäusersyndikat:
syndikat.org
Weitere Referenzen der DKB finden sich
hier.