Ein Beitrag von Frauke Burgdorff, Jochen Lang und Stefan Rettich.
Die Herausforderung
Deutschland hat zu wenige Wohnungen, die auch für Menschen mit niedrigem Einkommen bezahlbar sind. Das kann nur geändert werden, indem viele neue Wohnungen gebaut werden, deren Miete dauerhaft niedriger bleibt als die auf dem freien Wohnungsmarkt.
Der wichtigste Kostentreiber beim Wohnungsbau ist der Boden. Schon heute können die Grundstückskosten mit bis zu 50 Prozent zu Buche schlagen. Parallel dazu fallen immer mehr Sozialwohnungen aus der Belegungsbindung und es steht weniger preisgünstiger Wohnraum zur Verfügung. Während die Marktmieten steigen, wird günstiger Wohnraum knapper. Das ist eine Herausforderung von nationaler Dimension.
Die entscheidenden Fragen sind: Wie können steigende Bodenpreise eingedämmt werden und wie kann der zur Verfügung stehende Boden dauerhaft als Basis für bezahlbare Wohnungen gesichert werden? Dazu ist es weiter notwendig, die Spekulation mit privatem Boden zu bekämpfen. Umso dringender muss der Bund sein Bodenvermögen nutzen, um dauerhaft bezahlbaren Wohnraum zu sichern – statt wie bisher durch Höchstpreisvergaben die Bodenpreise weiter anzutreiben. Darum schlagen wir die Gründung einer Bodenstiftung des Bundes vor. Sie soll Bundesvermögen mit Hilfe des Erbbaurechts für dauerhaft bezahlbaren und lebenswerten Wohnraum sichern.
Themen der Bodenpolitik und der planerischen Steuerung werden u.a. auf dem Landeskongress Archikon2018 am 1. März 2018 behandelt.
Der Lösungsvorschlag: Eine Bodenstiftung des Bundes
Auf Grundstücken des Bundes sollen in den kommenden Jahren beispielgebende Wohnungs- und Städtebauprojekte realisiert werden. Sie sollen passgenau auf die jeweiligen lokalen und regionalen Wohnungsmarktbedingungen reagieren und zeitgemäße Standards für nachhaltig bezahlbares und soziales Wohnen anwenden. Für diesen Zweck gründet der Bund eine Bodenstiftung und bringt in diese eigene Grund-stücke ein, die für Wohnungsbau geeignet sind. Die Bodenstiftung des Bundes bereitet ihre Flächen gemeinsam mit den Kommunen so vor, dass darauf gemeinwohlorientierte Bauherren lebendige und nutzungsgemischte Quartiere mit hohen Anteilen an günstigem Wohnraum entwickeln können.
Die Bodenstiftung des Bundes verkauft ihre Grundstücke nicht, sondern baut über die Grundstücke ihr Stiftungsvermögen auf. Sie vergibt Erbbaurechte mit denen sie langfristige Belegungsbindungen, moderate Mietentwicklung, Nutzungsmischung, soziale Infrastruktur, Grünflächenanteile und weitere lokal bedingte Notwendigkeiten sichert.
So bleiben die Grundstücke im öffentlichen Vermögen, werden der preissteigernden Verwertung entzogen und bilden gleichzeitig die Basis für ein neues wohnungs- und bodenpolitisches Modell, das Vorbild für Länder und Kommunen sein kann.
In etwa 30 Jahren sollen so die Voraussetzungen für den Bau von bis zu 100.000 dauerhaft bezahlbaren Wohnungen in lebendigen Stadtquartieren geschaffen werden.
Die Qualitäten
Die Bodenstiftung des Bundes sichert auf ihren Flächen soziale , ökonomische, (städte)bauliche und prozessuale Qualitäten des Wohnungsbaus:
Sozial: Mit Hilfe unterschiedlicher Vergabe- und Finanzierungsmodelle werden Nachbarschaften ermöglicht, in denen Menschen mit gänzlich unterschiedlichen finanziellen und sozialen Ausgangsvoraussetzungen zusammenleben können. Zwischen 30 und 50 Prozent der Wohnungen werden Personen zur Verfügung gestellt, die sich nicht adäquat am Wohnungsmarkt versorgen können.
Ökonomisch: Die Vergabe an verschiedene, gemeinwohlorientierte Bauherren – vor allem kommunale und genossenschaftliche – sichert das Ziel, langfristig tragfähige und von Konjunkturen möglichst unabhängige Eigentümerstrukturen aufzubauen. Um den Boden möglichst effizient zu nutzen, werden Projekte mit hoher und lebenswerter Dichte angestrebt.
Städtebaulich: Die Quartiere werden nutzungsgemischt entwickelt. Neben Gewerbe werden auch kulturelle und soziale Nutzungen sowie nachhaltige Mobilitätskonzepte von Anfang an mit gedacht. Öffentliche Räume mit guter Aufenthalts- und Verweilqualität bilden das Grundgerüst der Entwicklung.
Architektonisch: Es sollen lebenswerte und ressourceneffiziente Gebäude mit intelligent geschnittenen Grundrissen entstehen, die zum einen den Wohnbedürfnissen der Zukunft entsprechen und sich zum anderen kritisch mit den aktuellen Standards auseinandersetzen.
Prozessual: Die Projekte werden gleichermaßen zügig, partizipativ und transparent entwickelt. Für Städtebau, Freiraum und Architektur werden neue kooperative Verfahren zur Qualitätssicherung angewendet.
Die Umsetzung
Die Auswahl und Vergabe der Flächen, die Definition der städtebaulichen und sozialen Entwicklungsziele für die Projekte, die Umsetzung der Wohnungsbauprojekte und die Qualitätssicherung sind nur möglich mit einer engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit der Beteiligten:
1. Der Bund bringt Schritt für Schritt für Wohnungsbau geeignete innerstädtische Flächen in seine Bodenstiftung ein. Dabei werden nicht zuletzt Kommunen und Länder Hinweise geben, welche Flächen dafür gut geeignet sind.
2. Die jeweilige Kommune und die Bodenstiftung des Bundes schließen eine Zielvereinbarung zu den angestrebten Qualitäten und zu Eckpunkten für eine zügige Entwicklung der jeweiligen Fläche.
3. In Vorbereitung der Parzellenvergabe verständigen sich Kommune, Land und gegebenenfalls weitere Fördergeber auf ein spezifisches Finanzierungs- und Förderangebot, um den künftigen Bauherren langfristig bezahlbaren Wohnungsbau für die entsprechenden Zielgruppen zu ermöglichen.
4. Die Bodenstiftung des Bundes schreibt auf Grundlage der städtebaulichen Planung einzelne Parzellen zur Konzeptvergabe aus. Die Vergabeentscheidung wird gemeinsam mit der Kommune getroffen. Der Vergabeprozess dient auch der Qualitätssicherung der Architektur.
5. Die Bodenstiftung des Bundes vergibt die Parzellen nach Vorvertrag und gegebenenfalls Anhandgabe in Erbbaurecht an die ausgewählten Bauherren.
Die Umsetzung der einzelnen Bauprojekte wird fortlaufend von der Kommune begleitet, qualifiziert und öffentlich dokumentiert.
Wirkung und Sichtbarkeit
Die Bodenstiftung des Bundes ist dann wirkungsvoll, wenn sie schnell zu Ergebnissen kommt und zugleich langfristig und lernend angelegt ist. Das Einbringen und Entwickeln der Flächen muss von 2018 an – für mindestens 15-20 Jahre – mit voller politischer und professioneller Kraft und mit Leidenschaft vorangetrieben werden. Im 3-Jahres-Rhythmus werden die Zwischenergebnisse im Sinne einer Wohnungsbau-Triennale ausgestellt. Dafür werden die Prozesse, Instrumente und Ergebnisse so aufbereitet, dass die gute Praxis auch jenseits der jeweiligen Region in die Breite getragen werden kann. Im Ergebnis entsteht sowohl eine wachsende Wohnungs- und Städtebauausstellung mit Vorbildcharakter und internationaler Strahlkraft als auch ein Anwendungs- und Demonstrationsfeld für eine am Gemeinwohl orientierte Liegenschafts- und Wohnungsbaupolitik.
Die Bodenstiftung des Bundes kann so auf drei Ebenen Wirkung entfalten:
Direkt in den Kommunen und Quartieren, indem sie neue, gute und langfristig bezahlbare Wohnungen sowie mustergültige Stadtquartiere schafft.
Fachlich-personell, indem ein Kreis von hervorragenden Fachleuten heranwächst, die wiederum in Ausbildung und Verwaltung an den entscheidenden Hebeln mitgestalten werden.
Politisch, indem das Programm wie ein kontinuierliches Innovations- und Evaluationsinstrument von politischen Rahmensetzungen angelegt ist und so die Basis für fortlaufende Anpassungen liefert.
Die Finanzierung
Das Kapital der Bodenstiftung besteht aus den eingebrachten Grundstücken. Nach einer Anlaufphase von ca. 10-15 Jahren werden aus den Erbbauzinsen die für die Entwicklung der Flächen notwendigen Prozesse sowie perspektivisch der Zukauf weiterer Flächen finanziert.
Für diese Übergangsphase müssen die Prozesskosten aus einem Sonderprogramm finanziert werden. Neben dem Aufbau und Betrieb der Bodenstiftung des Bundes handelt es sich vor allem um den Mehrbedarf der jeweiligen Kommune, um auf den ausgewählten Flächen beispielgebenden Wohnungs- und Städtebau zu schaffen, also den Aufwand für Planung, Städtebau, Baurechtsschaffung, Prozesssteuerung und Bürgerbeteiligung.
Der Wohnungsbau wird grundsätzlich durch die jeweiligen Bauherren selbst finanziert – ein Teil frei finanziert, ein Teil als geförderter sozialer Wohnungsbau. Die Sozialwohnungen sind dauerhaft einkommensschwächeren Mietern vorbehalten. Ihre Bezahlbarkeit wird langfristig über das Erbbaurecht, also auch nach einem eventuellen Auslaufen der Mietpreis- und Belegungsbindung, gesichert. Für Genossenschaften muss ergänzend eine Förderung für die Aufnahme finanziell schwacher Mitglieder angeboten werden, etwa durch Eigenkapitalersatzdarlehen. Die soziale Infrastruktur oder die Einbindung der Projekte in die benachbarten Quartiere kann gegebenenfalls aus der Städtebauförderung unterstützt werden.
Die ersten Schritte
Unser Vorschlag ist ein ambitioniertes wohnungs- und liegenschaftspolitisches Projekt, das eine sehr belastbare bundespolitische Grundlage benötigt. Deshalb müssen seine Kernelemente im nächsten Koalitionsvertrag festgeschrieben werden, nämlich die Errichtung einer Bodenstiftung des Bundes und die Einbringung geeigneter Flächen des Bundes. Daneben müssen in den ersten Jahren Haushaltsmittel für die Prozesskosten der Kommunen sowie für die Transfer- und Öffentlichkeitsarbeit der Stiftung bereitgestellt werden.
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